Als Franziska Jägerstätter im März verstarb, war das offizielle Österreich voll der salbungsvollen Worte. "Ein Vorbild an Haltung und Unbeugsamkeit" sei sie gewesen, sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Die Witwe des von den Nazi-Schergen ermordeten Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter war ein Nazi-Opfer. Sie hatte ihren Mann verloren und war mit ihren drei Töchtern auf sich allein gestellt. Ihre Töchter wuchsen ohne Vater auf. Auch sie sind Nazi-Opfer.

Die Jägerstätters sind kein Einzelfall. Viele, die den Nazi-Terror überlebten, waren schwer traumatisiert. Nach ihrer Rückkehr stießen sie oft auf offene Ablehnung. Die jüdischen Gemeinden waren ausgelöscht, die Verwandten und Freunde ermordet. Der Staatsapparat war wieder voll mit alten Nazis. Die Opferrenten waren bescheiden, die Mehrheit lebte in ärmlichen Verhältnissen. Wie die Töchter der Familie Jägerstätter bekamen auch die Kinder der anderen Überlebenden den Horror mit auf den Lebensweg.

Dass das Sozialministerium bis heute – wie der Fall der Jägerstätter-Töchter zeigt – nicht gewillt ist, auch nur eine symbolische Entschädigung zu zahlen, sagt viel über den Geist dieser Republik aus: Am 8. Mai, am Tag der Befreiung, wurde heuer auf dem Heldenplatz „ein Fest der Freude" samt kameragerechter Inszenierung für die Politik gefeiert. Der toten Opfer des Nazi-Terrors wurde gedacht. Die Überlebenden und ihre Kinder werden vergessen. (DER STANDARD, 27.11.2013)