Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass sich der Staat bei der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern oft selbst keinen Gefallen tut: Während etwa die winterlichen Emissionen einer privaten Wohnanlage nach den Luftreinhalteregeln der Länder zu beurteilen sind, heizt ein Hotel in Bundesluft. Das ist bloß ein Beispiel von hunderten dieser Art.

Deshalb verwundert es auch nicht, dass Experten wie Politiker seit Jahren regelmäßig eine umfassende Reform dieser sogenannten Kompetenzen fordern. Vorschläge zur Bereinigung der Gesetzesbestände gibt es genug. So hat etwa der "Österreich-Konvent" im Zuge seiner Arbeit von 2003 bis 2005 einen umfassenden Bericht erstellt, wie eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform aussehen könnte. Die Ergebnisse flossen etwa ins "Demokratiepaket" ein, der große Wurf blieb jedoch aus.

"Die letzte große Verwaltungsreform fand 1925 statt. Zu erwähnen ist natürlich nun die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Doch die Politik sollte endlich den Mut haben, das bundesstaatliche Prinzip abzuändern", sagt Karl Weber, Leiter des Instituts für öffentliches Recht der Universität Innsbruck. Er spielt damit darauf an, dass der Föderalismus tief in der österreichischen Bundesverfassung verankert ist. Eine Abänderung bedarf der Zustimmung aller Landtage mit Zweidrittelmehrheit und einer Volksabstimmung - und somit der intensiven Auseinandersetzung mit den Ländern wie auch den Bürgern.

Blockaden verhindern

Eine umfassende Verwaltungsreform, deren Notwenigkeit eigentlich alle Experten eint, sollte vor allem die kleinteilige und zersplitterte Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu ordnen und dadurch wechselseitige Blockaden verhindern und Doppelgleisigkeiten einstellen. Dabei gehe es nicht darum, die Länder zu entmachten, sondern vielmehr darum, ein sinnvolles System zu etablieren, das Kompetenzen nach Staatsaufgaben und nicht Materien gliedert: "Im Natur- und Katastrophenschutz haben die Burgenländer einfach andere Probleme als die Tiroler, doch dass Jugendliche in einem Bundesland länger ausgehen dürfen als in einem anderen, macht keinen Sinn", sagt Weber.

Politisch wird eine Verwaltungsreform zumeist als Patentlösung für Einsparungen genannt. Ob sie den Staat aber letztendlich wirklich billiger käme - und wenn, in welchem Ausmaß -, ist in Fachkreisen umstritten. "Ich bin äußerst skeptisch, dass durch eine Übertragung von Landeskompetenzen auf den Bund wesentliche Kosten eingespart werden können. Kosten verursacht ja vor allem die Vollziehung", sagt Weber.

Denn während gesetzgeberisch für alle großen Bereiche der Bund zuständig ist, wird die Vollziehung über mittelbare Bundesverwaltung größtenteils von den Ländern organisiert. Dabei werden Bundesgesetze von Landesbehörden umgesetzt; der zuständige Minister kann über den jeweiligen Landeshauptmann Weisungen erteilen - die Effektivität ist jedoch infrage zu stellen, da Minister wohl ungern einen Kollegen selber Couleur oder einen des Koalitionspartners vor den Verfassungsgerichtshof zerren. Grundsätzlich habe sich dieses System jedoch bewährt, glaubt Weber.

Theo Öhlinger, Verfassungsjurist und Mitglied des Österreich-Konvents wie auch der Arbeitsgruppe Verfassungsreform des Bundeskanzleramtes, sieht allerdings sehr wohl Potenzial, nach einer grundlegenden Verfassungsreform Kosten einzusparen. Die umherschwirrenden Zahlen über die Höhe hält er aber für "reine Fantasie". Für ihn liegt das Problem ganz woanders: "Es sind die Interessen unzähliger Institutionen und politischer Ämter betroffen, und jeder befürchtet Nachteile für sein kleines persönliches Feld. Es wäre ein Kraftakt der Regierungsspitze notwendig, von dem ich nicht sehe, das er betrieben würde", sagt Öhlinger.

Grundstrukturen anpacken

In einzelnen Bereichen gab es in den vergangenen Jahren natürlich immer wieder Reformen: in der Polizei, durch das Schengener Abkommen, laufende Gemeindezusammenlegungen oder jetzt die Verwaltungsgerichte. Und manche Materien wie das Gesundheitswesen oder Schulen solle man vielleicht ohnehin getrennt im Rahmen einer umfassenden Reform behandeln, glaubt Weber. "Doch um substanziell etwas zu erreichen, müsste man die Grundstrukturen unseres föderalistischen Systems anpacken. Darüber wird zwar viel gesprochen, optimistisch bin ich jedoch nicht", sagt Öhlinger. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 27.11.2013)