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Durch die hohe Einkommensgrenze für den sozialen Wohnbau in Wien soll eine Durchmischung der sozialen Schichten garantiert werden.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien – Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SP) will sich nicht als "EU-Feind" verstanden wissen. Trotzdem ortet er einen "Anschlag auf den sozialen Wohnbau" aus Brüssel. Gemeinsam mit dem Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) präsentierte er am Dienstag eine Resolution für den sozialen Wohnbau in Europa und will dadurch unter anderem das österreichische und vor allem das Wiener System verteidigen.

Das Papier wurde von 27 Bürgermeistern großer europäischer Städte wie Berlin, Kopenhagen oder Zagreb unterschrieben. Vor etwa zwei Wochen wurden schließlich der Präsident der Europäischen Kommission, José Barroso und der Kommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn, davon in Kenntnis gesetzt.Das Papier soll auch Thema beim zweiten Treffen der europäischen Hauptstadtbürgermeister im Frühjahr 2014 in Brüssel werden.

Urteil gegen Niederlande

Hintergrund für die Resolution sind Urteile der europäischenWettbewerbskommission gegen Schweden, Frankreich und die Niederlande. In letztgenanntem Land wurde 2009 nach einer Klage von Investoren festgestellt, dass durch die Vergabe von Wohnbaubeihilfen ein Wettbewerbsvorteil für öffentlichkeitsnahe Unternehmen bestehe.

Deshalb mussten die Niederlande ihre Einkommensgrenze für geförderte Wohnungen von 38.000 auf 33.000 Euro pro Jahr und Haushalt senken, wobei das durchschnittliche Einkommen bei 37.000 Euro jährlich liegt. In Wien gelten 42.250 Euro als Grenze für den Bezug einer geförderten Wohnung.

Wohnbau ist Sache der Länder

Da Wohnbaupolitik in der EU Sache der Länder ist, sieht Bürgermeister Häupl eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Der soziale Wohnbau habe in Österreich eine lange Tradition und dürfe nicht nur für die Ärmsten der Armen zuständig sein, sagte Häupl vor Journalisten. Aufgrund des Einkommensgrenzwertes, der in Wien bis in den gehobenen Mittelstand reicht, wolle man "eine Durchmischung der sozialen Schichten" in den Wohnhausanlagen garantieren und eine soziale Segregation vermeiden.

Für Barbara Steenbergen, die Brüsseler Büroleiterin des weltweiten Mieterverbands International Union of Tenants (IUT), ist es wichtig, dass Wien einer Vorreiterrolle bei diesem Thema einnimmt. Für sie ist Österreich ein Vorzeigeland, was den Standard und die Zugänglichkeit zum geförderten Wohnbau für die Bevölkerung betrifft. Im Gespräch mit dem Standard hofft sie, dass die Wettbewerbskommission die Resolution der Bürgermeister ernst nimmt und darüber nachdenkt, die europäische Beihilfenbestimmung abzuändern, sodass die Definition für "benachteiligte Bürger und sozial schwächere Bevölkerungsgruppen" gestrichen wird. Außerdem sei juristisch zu prüfen, ob die Kommission durch ihre Eingriffe in die nationalen Beihilfen gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt.

Keine Angst vor Klage

An eine Klage eines Unternehmens vor der Wettbewerbskommission gegen Österreich glaubt Steenbergen nicht. Dafür gebe es einen zu breiten politischen Konsens, was die soziale Wohnbaupolitik im Land betrifft. Auch für Bürgermeister Häupl "brennt das Haus noch nicht". Trotzdem will man mit der Resolution Grenzen aufzeigen und nicht darauf warten, dass die Mitgliedsstaaten einzeln geklagt werden. Denn nur wenn der soziale Wohnbau Ländersache bleibe, könne man auf lokale Bedingungen und Erfordernisse reagieren. (Bianca Blei, DER STANDARD, 27.11.2013)