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Der Redaktion hat Jeff Bezos bisher erst einmal Besuch abgestattet.

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Paul Farhi, Medienredakteur der Washington Post, bekam auf seine Fragen von Jeff Bezos keine befriedigenden Antworten.

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Die Redakteure der "Washington Post" hoffen darauf, dass Jeff Bezos ihre Zeitung wieder profitabel macht.

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Was Bezos wirklich mit der "Washington Post" vorhat: Cartoon von Bulo, mehr auf clap-club.de.

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Washington - Paul Farhi, Medienredakteur der "Washington Post", urlaubte gerade in der Karibik, als er den für die Zukunft der Zeitung entscheidenden Anruf erhielt. "Es war mein Boss, der mir mitteilte, dass ich sofort nach Washington zurückkehren müsse. Ich wollte wissen, warum. Er meinte, er könne mir das nicht am Telefon sagen." Fahri nahm den nächsten Flieger und erfuhr den Grund für die überstürzte Rückkehr: Jeff Bezos, Gründer von Amazon, würde die "Washington Post" für 250 Millionen Dollar kaufen. Den Bericht darüber sollte er verfassen.

Gegenüber Kollegen musste Farhi vor Redaktionsschluss Montag Nachmittag noch Stillschweigen bewahren: "Um elf Uhr war ich mit dem Schreiben fertig. Ich erinnere mich daran, dass ich im Newsroom herumgegangen bin, mit dem starken Bedürfnis hinauszuposaunen, dass sich die Welt für uns in Kürze ändern wird." Die gesamte Belegschaft blieb bis zu Redaktionsschluss und der zeitgleich angesetzten Betriebsversammlung ahnungslos.

Bezos schweigt sich aus

Die Reaktionen auf die Neuigkeit waren dann sehr unterschiedlich. "Manche weinten, anderen blieb der Mund offen stehen", erzählt Paul Farhi. "Es war ein großer Schock, als wir die Nachricht erhielten." Seither wird spekuliert, was Jeff Bezos mit der Washington Post vorhat. Doch die Redakteure wissen nach wie vor ebenso wenig, wie die Öffentlichkeit. Seit dem Bekanntwerden der Übernahme gab es noch keine redaktionellen Veränderungen. Im September stattete Bezos der Redaktion erstmals einen Besuch ab, auch dort verriet er keine Details. "Er ist ein Meister darin, nicht zu verraten, was er mit uns plant", sagt Farhi, der immerhin schon 25 Jahre für die Zeitung arbeitet.

Magische Formel für Zeitungsmarkt

Da Bezos, der nebenbei noch ganz andere Projekte verwirklicht, wie zum Beispiel die Herstellung einer Uhr, die imstande ist 10.000 Jahre die Zeit zu messen, viel Geld in die Hand genommen hat, wird aber auch großes Vertrauen in ihn gesetzt. "Meine Frau ist davon überzeugt, dass er das Rätsel lösen möchte, wie man eine Zeitung im 21. Jahrhundert profitabel führen kann. Vielleicht entdeckt er ja die magische Formel. Wir warten gespannt darauf", sagt Farhi. Diese Formel benötigt die Washington Post genauso dringend, wie viele andere Tageszeitungen. Viele Leser erreicht sie nur mehr online, große Summen an Geld bekommt sie aber nur durch Werbeanzeigen von Großkaufhäusern wie Macys im Printprodukt. 

Der Erwerb der "Washington Post" wird zwar von Jeff Bezos als persönliches Projekt und Anliegen beschrieben, für die Redaktion stellt sich jedoch nach wie vor die Frage, was das konkret bedeutet: "Amazon ist ja immer noch sein Brotjob. Für uns wird es entscheidend sein, wieviel Zeit und Energie er letztendlich wirklich in die 'Washington Post' investiert."

"Immerhin haben wir noch einen Job"

In Zukunft werden viele Medienunternehmen dem Beispiel der Washington Post folgen, glaubt Farhi. Reiche Persönlichkeiten, die ihre eigenen Gründe dafür haben, eine Zeitung zu erwerben, werden große Unternehmen, die sich aus dem unprofitablen Zeitungsgeschäft zurückziehen wollen, ablösen.

Über seine eigenen Motive hüllt sich Jeff Bezos derweil in Schweigen. "Wir haben bisher keinen Anlass, zu glauben, dass er das wegen Amazon macht. Wir wissen es aber nicht. Er ist uns ein Rätsel und als Journalisten sind wir natürlich neugierig, aber wir bekommen keine Antworten. Immerhin haben wir noch einen Job, das ist wichtig für uns", beschreibt Farhi die Ohnmacht der Redaktion. Er selbst habe Bezos mehrere Male gefragt, warum er die Washington Post gekauft habe und immer unbefriedigende Antworten erhalten.

Lokal, national oder doch international?

Große Fragezeichen gibt es auch bei der zukünftigen Ausrichtung der "Washington Post", die vorwiegend in der Gegend rund um Washington DC gelesen wird, aber trotzdem einen nationalen und internationalen Ruf hat. "Der ökonomische Wert unserer Zeitung generiert sich ja auch daraus, dass die Auflage vor Ort sehr hoch ist. Unsere Sonntagszeitung erreicht immerhin sechzig Prozent der Haushalte in der DC Region. Für die Werbebranche ist das wichtig", sagt Farhi und verweist auf die ehemalige Herausgeberfamilie Graham, die die "Washington Post" als Lokalzeitung verstanden wissen will.

Mit Bezos, der Amazon in Seattle angesiedelt hat, könnte sich das ändern. "Ich glaube, dass er unsere nationale Präsenz ausbauen will. Vor ein paar Jahren mussten wir Büros in Chicago, Los Angeles, San Francisco oder Texas schließen. Die könnte er wieder eröffnen wollen", vermutet Farhi. Er glaubt aber auch, dass Bezos der internationalen Leserschaft Rechnung tragen will: "Der 'Guardian', CNN und Al Jazeera haben uns gezeigt, dass es einen weltweiten Markt für englischsprachige Nachrichten gibt. Hier wollen wir mitmischen." (Teresa Eder, derStandard.at, 28.11.2013)