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Bessere Zeiten: Nach seiner Wahl zum Staatschef kam Ägyptens islamistischer Präsident Morsi 2012 als Ehrengast zum Parteitag der konservativ-islamischen AKP in Ankara. Der türkische Regierungschef Erdogan hält auch nach dem Putsch in Ägypten zu Morsi.

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Vergangene Woche war es, in einem Parlamentsausschuss, der das Budget des türkischen Außenministeriums beraten sollte, da verlor Ahmet Davutoglu vor laufender Kamera die Beherrschung: So könne man nicht mit einem Außenminister sprechen, brüllte er los und schlug mit der Faust auf den Tisch. Oppositionsabgeordnete hatte ihn wieder mit seiner "Politik der null Probleme mit den Nachbarn" gepiesackt und mit dem Kriegskurs gegen Syrien, wo das Assad-Regime Gas gegen die Bevölkerung einsetze - im Prinzip doch nicht anders wie die Regierung Erdogan gegen ihre Bürger auf der Straße, so hörte er.

Unablässig unter Druck wegen der wenig populären Syrienpolitik, musste Davutoglu am Wochenende eine weitere Ohrfeige einstecken: Kairo erklärte den türkischen Botschafter zur unerwünschten Person und wies ihn außer Landes. Mit einer entsprechenden Gegenmaßnahme für die Öffentlichkeit tat sich der türkische Außenminister schwer. Die vom ägyptischen Militär eingesetzte Regierung in Kairo hatte gar nicht erst einen neuen Botschafter nach Ankara entsandt. Nach Israel unterhält die Türkei nun auch mit Ägypten nur noch diplomatische Beziehungen auf Ebene von Geschäftsträgern.

Premier mit den vier Fingern

Ausgelöst hat den neuen Streit der türkische Premier. Jedes Mal, wenn Tayyip Erdogan das "Rabaa"-Zeichen mit den vier Fingern macht, geht in der türkischen Diplomatie etwas in die Brüche. Im Vormonat stand er in Prizren auf einer Rednerbühne, zeigte die vier Finger und erklärte: "Die Türkei ist Kosovo, Kosovo ist die Türkei!" So viel neoosmanische Schwärmerei goutierte die serbische Regierung, die den Kosovo eher als Teil ihres Staatsgebiets sieht, nicht; sie bestellte den türkischen Botschafter in Belgrad ein.

"Rabaa" heißt auf Arabisch "das Vierte", und das "Rabaa"-Zeichen soll an das Massaker der ägyptischen Armee gegen Anhänger des gestürzten islamistischen Präsidenten Mohamed Morsi auf dem Rabaa-al-Adawiya-Platz in Kairo vergangenen August erinnern. Auch Erdogan benützt es nun als Symbol für den "Widerstand" von Muslimen gegen Putschgeneräle, israelische Besatzer, Assad-Rebellen, gleichgültige Diplomaten aus dem Westen.

Seinem inhaftierten politischen Duzfreund Morsi sprang Erdogan nun erneut mit einem "Rabaa"-Zeichen bei und erklärte bei einer Pressekonferenz: "Ich applaudiere Herrn Morsis Haltung vor Gericht. Ich respektiere ihn." Die Türkei werde niemals Putschregierungen anerkennen, legte Erdogan am Samstag noch nach. Da hatte Kairo schon erbost den Botschafter ausgewiesen.

Davutoglu hatte noch versucht, den Kosovo-Zwischenfall auszubügeln, und sprach von einem "Missverständnis". Die Abwertung der diplomatischen Beziehungen mit Ägypten beschrieb das Ministerium als "bedauerliche Situation", für welche die ägyptische Übergangsregierung die Verantwortung trüge.

Der türkische Außenminister hatte sich dabei in den vergangenen zwei Wochen bemüht, sein Land auf der diplomatischen Bühne wieder mehr ins Spiel zu bringen. Erstmals seit vier Jahren war Davutoglu nach Bagdad gereist. In Washington versuchte er wegen der Pläne für den Kauf chinesischer Raketen zu beruhigen. Der kompromisslose Kurs gegen Assad und die Allianz mit Katar und Saudi-Arabien habe sich als Fehlschlag erwiesen, so urteilten Kommentatoren in der Türkei. Davutoglus Ministerium habe begonnen, dies zu begreifen. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, 25.11.2013)