An sich bin ich ein Befürworter der Regierungsbemühungen, die höchsten Pensionen im öffentlichen und staatsnahen Bereich etwas zu kappen. Aber bei einer Person würde ich mir wünschen, dass eine Ausnahme möglich ist: Bei Heinz Kienzl, dem ehemaligen Generaldirektor der Österrreichischen Nationalbank.
Ja, Kienzl bekommt mit 30.158 Euro monatlich die zweithöchste Pension überhaupt (nur sein Nachfolger Adolf Wala hat noch etwas mehr) – und dies schon seit 25 Jahren. Aber der heute 91-Jährige hat auch für die österreichische Wirtschaft mehr geleistet als irgendjemand anderer.
Denn Kienzl ist der Vater der Hartwährungspolitik, und die ist die Grundlage für unsere Prosperität und wirtschaftliche Stärke. Wäre Kienzl nicht gewesen, dann wäre Österreich heute kaum das zweitreichste Land der EU.
Schwierige Wechselkurspolitik nach Bretton Woods
Der sozialdemokratische Gewerkschafter wurde 1973 Chef der Nationalbank. Das war die Zeit, als das Bretton-Woods-System mit seinen festen Wechselkursen zusammenbrach – und die erste Ölkrise eine tiefe Rezession auslöste. Staaten konnten damals das Heil in einer schwächeren Währung suchen, um die Exporte anzukurbeln und so Arbeitsplätze zu sichern, oder über einen hohen Wechselkurs die steigende Inflation zu bekämpfen.
Kienzl erkannte, dass für ein kleines Land wie Österreich jede Abwertung sofort die Importpreise und damit die Lebenshaltungskosten erhöhen würde. Darunter würden die Arbeitnehmer am stärksten leiden.
Aber er verstand auch, dass eine Hartwährung nur dann funktioniert, wenn die Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen Mäßigung üben und die Löhne weniger stark steigen als die Produktivität. Sonst verliert das Land seine Wettbewerbsfähigkeit - so wie es die Mittelmeerstaaten nach Einführung des Euro erlebt haben.
Kienzl trat daher - wie auch der OeNB-Präsident Stephan Koren von der ÖVP - vehement für eine feste Anbindung des Schilling an die harte D-Mark ein und eine besonders vorsichtige Lohnpolitik. Und davon überzeugte er ÖGB-Präsident Anton Benya, der so – ungewöhnlich für einen Gewerkschafter ohne volkswirtschaftliche Ausbildung – ebenfalls zum Verfechter der Hartwährungspolitik wurde.
Kreisky gegen Androsch
Diese Position war nicht selbstverständlich. Österreich hatte zwar 1973 den Schilling mit 7:1 an die D-Mark gebunden, aber als die Währungen von Nachbarstaaten wie Italien immer schwächer wurden, forderte die Industrie vehement eine Abwertung. Und auch Bundeskanzler Bruno Kreisky war dafür. Er fürchtete vor allem die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit der Dreißiger Jahre und wollte alles tun, um Arbeitsplätze in der Industrie zu sichern.
Auf der anderen Seite stand sein Finanzminister Hannes Androsch. Im Herbst 1977 kam es zum Eklat im SPÖ-Parteipräsidium. Androsch setzte sich damals gegen Kreisky durch, aber ohne die Rückendeckung Benyas wäre ihm das kaum gelungen. Und Benya stützte sich vor allem auf die scharfen Analysen seines Partei- und Gewerkschaftsfreundes Kienzl.
Die Hartwährungspolitik ging weiter, und obwohl Österreich als Nicht-EU-Land 1979 dem neuen Europäischen Wechselkurssystem (EWS) nicht beitrat, schuf es gemeinsam mit Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden eine Art Mini-Eurozone, während andere Währungen regelmäßig abwerteten.
Österreichs Erfolgsrezept
Die Industrieunternehmen schwitzten zwar, aber es gelang ihnen doch, mit Kostendisziplin und Innovation ihre Exportfähigkeit zu bewahren. Jahr für Jahr hatte wuchs Österreichs Wirtschaft etwas schneller als andere, und das Land kletterte allmählich an die europäische Spitze.
Benya lebt nicht mehr, und Androsch hat als erfolgreicher und schwerreicher Industrieller die finanziellen Früchte seiner damaligen Entscheidungen voll geerntet.
Kienzl hat seit seiner Pensionierung 1988 mit seinen übermäßig hohen Bezügen die Nationalbank – und damit indirekt die Steuerzahler - bisher geschätzte acht Millionen Euro gekostet. Aber sein Beitrag zur Wirtschaftspolitik war viele, viele Milliarden wert.
Selbst wenn Kienzl über hundert wird, sei ihm jeder Euro gegönnt. (Eric Frey, derStandard.at, 23.11.2013)