New York/Barcelona/Mailand/Paris - Das verheerende Bombenattentat vor der jordanischen Botschaft in Bagdad konfrontiert die US-Armee mit einer neuen unberechenbaren Bedrohung, schreiben am Freitag internationale Pressekommentatoren.

"The New York Times":

"Dieser Angriff war anders als die anderen. Die Detonation war nicht gegen die gut ausgerüsteten amerikanischen Streitkräfte gerichtet, sondern gegen das, was die Militärs ein weiches Ziel nennen - eine leicht verletzbare, nicht geschützte Struktur. Das Ziel war es nicht, das militärische Gleichgewicht zu verändern, sondern eine ausländische Macht zu bestrafen und eine große Zahl ziviler Opfer zu verursachen. (...) In den vergangenen Wochen ist klar geworden, dass der Feind, gegen den die Amerikaner kämpfen, viele Gesichter hat."

"El Periodico":

"Die Explosion der Autobombe bedeutet einen qualitative Sprung zum Schlechteren im Irak. Die Guerilla-Gefechte und das Blutvergießen nehmen kein Ende. US-Präsident George W. Bush hatte am 1. Mai den Krieg für beendet und sich selbst zum Sieger erklärt. Aber dieser Erfolg hat sich konkret noch nicht bestätigt. Die Sicherheitslage ist katastrophal, und die von den Amerikanern vertretene Idee von der Befreiung des Irak will den Bewohnern des Landes nicht in den Kopf. Nun droht auch noch ein Bürgerkrieg zwischen ethnischen und religiösen Gruppen. Der Blutbad unter den Zivilisten vor der jordanischen Botschaft öffnet das Tor zu einer 'Libanisierung' (Bürgerkrieg 1975-90, Anm.) des Irak."

"Corriere della Sera":

"Die Söhne Saddams sind eliminiert, der Rais (Führer) von Bagdad gezwungen, alle vier Stunden das Versteck zu wechseln. Dann gab es vier Tage, ohne dass ein US-Soldat getötet wurde. Das Kommando der Alliierten begann schon aufzuatmen. Doch dann der schwarze Donnerstag. Im Irak des Nach-Saddam bildet sich derzeit das schlimmste Szenarium heraus, das die Experten im Pentagon hätten erwarten können. Die Autobombe gegen die jordanische Botschaft ist nicht nur ein Massaker, sie stellt vielmehr einen Qualitätssprung in der Herausforderung dar. Weil sowohl die Spannungen im Innern des Irak sowie in der Region steigen. Weil der Anschlag ein Beweis ist, dass die Rebellen ihre Aktionen koordinieren und die Initiative übernehmen. Und es werden immer mehr Feinde auf dem Schlachtfeld."

"Le Monde":

"Die von Washington empfohlene Methode, die Nester mit den mutmaßlichen Drahtziehern und Financiers des islamistischen Terrors zu zerstören, hat ihre offensichtlichen Grenzen. Sicherlich ist Al Kaida (bisher) daran gehindert worden, Terrorangriffe von der Größenordnung der Anschläge auf das World Trade Center in New York oder auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salaam zu wiederholen. Die Terrorakte in Mombasa, Bali und zuletzt Jakarta zeigen allerdings, dass dieses Problem fortbesteht." (APA/dpa)