Wien - Der stellvertretende SPÖ-Vorsitzende Heinz Fischer hat am Mittwoch in der Debatte über die Steuerreform FPÖ-Obmann Herbert Haupt "sehr viel Nervosität, Unsicherheit und wenig Gespür für den richtigen Ton" vorgeworfen. Der Zweite Nationalratspräsident bezog sich damit auf die Aussage des Vizekanzlers, der die Sondersitzung des Nationalrates am nächsten Dienstag als "Sommertheater" bezeichnet und gemeint hatte, die FPÖ werde nicht die "Drecksarbeit" für die Opposition machen. Fischer erklärte in einer Pressekonferenz, hinter der Kritik der Regierung an der Sondersitzung stehe das "Unbehagen", zu diesem wichtigen Thema Stellung nehmen zu müssen.

Fischer: Chance für Vorverlegung der Steuerreform unter 50 Prozent

Nach Ansicht Fischers wird es auch für die Öffentlichkeit interessant zu sehen sein, ob die FPÖ geschlossen die Forderung der Opposition nach Vorverlegung der Steuerreform ablehnen wird oder noch genug Selbstständigkeit der FPÖ-Abgeordneten da sei, ihre Ankündigungen in die Tat umzusetzen. Die Frage sei, ob diese Mandatare nur "groß reden", aber in der Abstimmung dann das Gegenteil tun. Fischer betonte, er appelliere an niemanden, jeder Abgeordnete habe das freie Mandat. Deshalb finde er es auch sehr interessant, dass Haupt schon sicher vorhersage, wie die FPÖ-Abgeordneten abstimmen werden.

Die Chance dafür, dass doch eine Mehrheit für eine Vorverlegung der Reform zu Stande kommt, bezifferte Fischer mit "sicher deutlich unter 50 Prozent". Wenn es keine Mehrheit geben sollte, hätte die SPÖ jedenfalls getan, was sie tun konnte. "Man kann die Pferde nur zum Wasser führen, trinken müssen sie selber."

Sondersitzung soll noch offene Fragen klären

Der stellvertretende SPÖ-Vorsitzende vertrat aber die Auffassung, dass schon allein das Verlangen auf die Sondersitzung bei den Regierungsparteien Wirkung gezeigt habe, weil es bereits Sitzungen und interne Beratungen gebe. Die SPÖ wolle mit der Nationalrats-Debatte konkrete Informationen bekommen und für die Öffentlichkeit Klarheit schaffen. Ob es eine Steuerreform gebe, wann sie komme und wie sie aussehe, seien wichtige Fragen, die man nicht auf die lange Bank schieben könne. Wenn man sich jetzt anstrenge, dann könne man die Frage noch zeitgerecht für 2004 lösen.

Das von Haupt vorgeschlagene Warten auf ein Anspringen der Konjunktur hält Fischer für "sehr problematisch", weil dieses Anspringen nicht automatisch erfolge, sondern eines Anstoßes bedürfe. Es sei wichtig, aktiv das wirtschaftspolitische Schicksal in die Hand zu nehmen. Und auch das noch vor dem Sommer von Finanzminister Karl-Heinz Grasser gebrauchte Argument des Null-Defizits ziehe nicht mehr, weil die Regierung ohnehin weder 2004 noch 2005 ein Null-Defizit zu Stande bringen werde.

Kostenargument für Fischer "nicht ernst zu nehmen"

Der Zweite Nationalratspräsident sieht auch "keinen Grund für eine besondere Aufregung" über die Einberufung der Sondersitzung. In den letzten zehn Jahren habe es insgesamt 36 außerplanmäßige Sitzungen gegeben. 17 davon habe die FPÖ initiiert, sieben die SPÖ, fünf die Grünen, drei das LIF, zwei die ÖVP, obwohl sie in der Regierung war und je eine gemeinsam ÖVP und FPÖ sowie FPÖ, Grüne und LIF. Im Schnitt habe es drei bis vier solcher Sitzungen pro Jahr gegeben. Und auch das Kostenargument ist für Fischer nicht ernst zu nehmen. 99 Prozent der Kosten des Parlaments seien Fixkosten, ob es nun eine Sitzung mehr oder weniger gebe, sei kein wesentlicher Kostenfaktor.(APA)