Georg Kapsch ist unzufrieden mit den Verhandlungen, er rät zu mehr Entschlossenheit.

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STANDARD: Freuen Sie sich schon auf die neue Regierung, die grosso modo auch die alte sein wird?

Kapsch: Das kommt ganz darauf an, worauf sie sich einigt. Wenn sie sich auf große Reformen einigt, dann freu ich mich, wenn es wieder Stückwerk wird, kann ich mich nicht freuen.

STANDARD: Sie sind in die Verhandlungen eingebunden. In welche Richtung geht es denn?

Kapsch: Für mich ist nach wie vor zu wenig Schwung drinnen, zu wenig Willen, dieses Land wirklich zukunftssicher zu machen. Allein die Diskussion darüber, ob 20 Milliarden, 25 oder 30 fehlen, zeigt, dass das wahre Problem nicht diskutiert wird. Es ist nicht die zentrale Frage, ob es 20 oder 40 Milliarden sind. Die Kernfrage ist: Wie entsteht dieser Fehlbetrag? Der entsteht durch die Strukturen. Lassen wir einmal die Hypo Alpe Aria zur Seite, das ist ein Einmaleffekt: Wir müssen dort eingreifen, wo jedes Jahr Milliarden verlorengehen.

STANDARD: Sie sprechen von der Verwaltung?

Kapsch: Ich spreche von der Verwaltung, ich spreche von den Pensionen. Allein, dass man sagt, die Pensionen sind gesichert, ist lächerlich. Jeder weiß, dass sie nicht gesichert sind, auch die Bevölkerung weiß das. Warum kann man es ihr nicht sagen? Um der nächsten Generation noch etwas bieten zu können, muss man das System grundlegend ändern. Auch im Gesundheitsbereich braucht es dringend Reformen, da rinnt wirklich überall das Geld hinaus.

STANDARD: Die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform ist seit vielen Jahren unbestritten, dennoch nimmt keine Regierung das ernsthaft in Angriff. Trauen Sie dieser Regierung den Mut zu, hier einen Schritt zu setzen?

Kapsch: Wenn die Regierung jetzt nichts tut, wird sie in spätestens fünf Jahren die Rechnung präsentiert bekommen. Die Bevölkerung hat bei der letzten Wahl ganz eindeutig gezeigt, dass sie wirkliche Veränderungen möchte. Dass sie starke und große Veränderungen möchte. Jetzt haben die beiden Parteien noch einmal die Chance, es wirklich umzudrehen. Es geht darum, Österreich wieder in eine Situation zu führen, die Wohlstand gewährleistet. So, wie es aber vor allem die SPÖ macht, wird es nicht funktionieren. Wegreden und blockieren geht nicht mehr.

STANDARD: Die SPÖ sagt, die Wirtschaftslage ist gar nicht so schlecht, wir müssen Geld ausgeben und notfalls die Einnahmen über neue Steuern erhöhen. Die ÖVP sagt, wir müssen sparen und die Ausgaben reduzieren. Welchen Weg würden Sie empfehlen?

Kapsch: Ich bin kein Parteipolitiker, aber ich kann Ihnen sagen: einsparen, Ausgaben reduzieren. Das muss der Weg sein. Es ist volkswirtschaftlich und empirisch bewiesen, dass die Länder, die in schwierigen Situationen gespart haben, nachher ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gehabt haben. Und diejenigen, die Steuern erhöht haben, ein unterdurchschnittliches. Es geht nur um eines: um Arbeitsplätze. Dafür müssen wir alles tun. Ich halte die Hoffnung, dass man über Wirtschaftswachstum ein Budget saniert, für extrem trügerisch. Erstens ist nicht gesichert, dass dieses Wachstum überhaupt noch kommt. Und wenn man das schon will, kann man nicht auf der anderen Seite Maßnahmen wie Steuererhöhungen vorschlagen, die genau dieses Wirtschaftswachstum reduzieren und gefährden.

STANDARD: Die Industriellenvereinigung hat klare Vorstellungen, was die Bildungspolitik betrifft. Haben Sie den Eindruck, dass da jetzt Bewegung hineinkommt?

Kapsch: Wir sind noch lange nicht so weit, wie wir sein sollten. Jetzt unterhalten wir uns schon wieder über Ganztagsschule und Gesamtschule Ja oder Nein. Unsere Position ist klar: Wir sind grundsätzlich für eine Ganztagesschule und für eine gemeinsame Schule - jedoch nur, wenn sie eine wirklich neue Schule ist. Die bloße Fusionierung der AHS-Unterstufe mit der Neuen Mittelschule ist aber zu wenig, da muss man etwas Neues auf die Beine stellen. Unser Problem ist, dass wir am falschen Ende beginnen. Wir beginnen beim Lehrerdienstrecht und nicht bei den Bildungszielen. Das Lehrerdienstrecht wäre erst dann wirklich konstruierbar, wenn ich im Bildungssystem weiß, was ich will. Wir haben es wieder nicht geschafft, diese 50-Minuten-Lehreinheiten aufzubrechen, die vollkommen sinnlos sind. Das neue Dienstrecht zementiert das alte System ein.

STANDARD: In der Regierung wird bereits die neue Ressortauf- und -verteilung diskutiert. Gibt es sinnvolle Einsparungen?

Kapsch: Ich bin jedenfalls dagegen, dass man das Wissenschaftsressort trennt, das ist nicht sinnvoll. Ich bin dafür, die Pädagogischen Hochschulen ins Wissenschaftsministerium zu transferieren, weil ich glaube, dass das eine universitäre Ausbildung ist und dass Universitäten zusammengehören, und zwar Lehre und Forschung. Das Wissenschaftsressort muss unbedingt erhalten werden.

STANDARD: Sebastian Kurz wird als neuer Zukunftsminister oder auch Außenminister gehandelt. Ist er wirklich so gut?

Kapsch: Kurz ist wirklich gut. Er hat eine extrem hohe soziale Kompetenz, damit ist er eine gute Führungskraft. Und das braucht man in einem Ministerium. Er hat den Willen zu lernen, er ist fleißig - und er kann die Jugend vertreten. Ich glaube, das sind Dinge, die wir unbedingt brauchen. Ich verstehe übrigens nicht, warum unsere Jugend nicht einmal aufsteht und sagt, so geht das nicht weiter. Das ist ja unsere Zukunft. Warum nehmen die Jugendlichen alles hin? Ich verstehe das nicht.

STANDARD: Von Ihnen ist bekannt, dass Sie Sympathien für das Liberale Forum oder die Neos hatten. Wäre es angebracht, wenn die Regierung eine dritte Partei mit an Bord nehmen würde? Oder macht das alles nur komplizierter, wie Faymann und Spindelegger behaupten?

Kapsch: Ich bin parteipolitisch äquidistant. Inhaltlich stehe ich gewissen Parteien natürlich näher als anderen. Taktisch wäre es jedenfalls überlegenswert gewesen, wenn die jetzigen Regierungsparteien noch eine Partei dazugenommen hätten. (Michael Völker, DER STANDARD, 23.11.2013)