Während sich Politiker und Medien mit Budgetlöchern und Sonderpensionen beschäftigen, droht der österreichischen Wirtschaft von anderer Seite größeres Ungemach. Die unsichere wirtschaftliche Lage in Mittel- und Osteuropa und die immer düstereren langfristigen Aussichten gefährden eine der Säulen der heimischen Prosperität.

Ohne die Expansion seiner Unternehmen in die einst so attraktiven Märkte der exkommunistischen Reformstaaten würde Österreich lang nicht so gut dastehen wie heute. Wenn aber die ökonomische Aufholjagd der immer noch ärmsten Region Europas ins Stocken gerät, wie es die Osteuropabank EBRD in ihrem jüngsten Bericht voraussagt, dann wird es auch für Österreich schwer, höheres Wachstum und neue Arbeitsplätze zu schaffen - gar nicht zu sprechen von den Risiken für den Bankensektor, der im Osten so stark engagiert ist.

Die Probleme in der Region schwelen schon seit Jahren. Die Weltfinanzkrise hatte mit Osteuropa zunächst wenig zu tun. Aber die Länder dort sind stark von Geldern aus dem Ausland abhängig, und nach 2008 sind die Kapitalflüsse beinahe versiegt. Dadurch stocken die Investitionen und der private Konsum. Das Wachstum ist zwar immer noch höher als im Westen, aber für Länder mit so viel Nachholbedarf enttäuschend schwach.

Eine konsequente Reformpolitik zum Wegräumen der letzten Reste der Planwirtschaft könnte das Wachstum zumindest mittelfristig wieder ankurbeln, aber hier ist die Ernüchterung am größten. Die Bereitschaft zum tiefgreifenden Wandel hat in den meisten Nachbarländern in den vergangenen Jahren stark nachgelassen, die Politik wird immer mehr von mächtigen Interessengruppen und einer breiten Masse bestimmt, die zwar wenig hat, aber dies mit allen Mitteln verteidigt.

In Ungarn ist ausländer- und unternehmensfeindlicher Populismus offizielle Regierungspolitik. Selbst in Polen, das die Krise der vergangenen Jahre am besten gemeistert hat, machen sich das vorsichtige Vorgehen der Regierung von Premier Donald Tusk und die wachsende Abneigung der Bevölkerung gegen Strukturveränderungen beim Wachstum negativ bemerkbar. Der neue Finanzminister Mateusz Szczurek weiß wohl, was notwendig wäre, um die Wirtschaft zu beleben, aber ob der 38-jährige Bankökonom das politische Talent hat, dies auch durchzusetzen, ist zweifelhaft.

Grund zur Hoffnung geben noch am ehesten zwei Staaten, die bisher als Inbegriff der Stagnation galten. Die Ukraine und Serbien drängen - bei allen internen Widerständen - in Richtung Europa, und ihre Strukturen sind noch so verkrustet, dass selbst kleinere Reformen große Wirkung zeigen können.

Aber die gesamte Region läuft zunehmend Gefahr, in jene "Mittlere-Einkommen-Falle" zu laufen, die Experten auch für Schwellenländer wie China und Brasilien voraussagen: Mit ausländischem Kapital, politischer Stabilität und einigen Reformbemühungen wird eine erste Entwicklungsstufe erreicht, die einer Mittelschicht einen gewissen Wohlstand ermöglicht. Aber vor dem Sprung zum hochentwickelten Industrieland kommt das Wachstum zum Erliegen.

Ein anhaltendes scharfes Wohlstandsgefälle an den Ostgrenzen würde Österreich auch vor große politische und soziale Probleme stellen. Was in nächster Zeit bei den Nachbarn geschieht, mag für das Land wichtiger sein als alle Koalitionsverhandlungen. (Eric Frey, DER STANDARD, 21.11.2013)