Wien/Graz - Ein Gutachten des Chefs der Grazer Gerichtsmedizin, Eduard Leinzinger, zum Tod des Chefermittlers in der Soko Kampusch, Franz Kröll, sorgt für Aufregung und Irritation bei der Grazer Staatsanwaltschaft. Kröll war Grazer und starb 2010 auf seiner Terrasse in Graz, nachdem er von seiner Ermittlungsarbeit im Entführungsfall Natascha Kampusch aus Wien zurückkam.

Laut Polizeibericht war es Suizid. Laut erstem Bericht der Beamten schoss sich der hochrangige Polizist als Rechtshänder mit der linken Hand in den Kopf. "Schmauchspuren und typische Brandrückstände" fand man nicht. In einem weiteren Bericht, den man dann - ohne Exhumierung - einige Wochen später nachlegte, gab es dann doch Schmauchspuren. Schießgutachter Ingo Wieser, der unter anderem im Fall Lucona Sprengstoffsachverständiger war, erklärte dem Standard schon 2010, dass er die Richtigkeit dieses Berichts anzweifelte, da beim ersten Test, bei dem Schmauchspuren abgenommen werden, Spuren für weitere Tests für immer verloren gingen.

Medial brachte der Spiegel die Sache wieder in die aktuellen Meldungen. Das deutsche Magazin berichtete kürzlich unter Berufung auf das von Franz Krölls Bruder, Karl Kröll, in Auftrag gegebene neue Gutachten von Leinzinger: "Der Universitätsprofessor widerspricht der Suizidtheorie der Ermittler."

Auf Nachfrage des Standard bei der Grazer Staatsanwaltschaft, ob man denn nun neue Ermittlungen aufnehmen werde, zeigt sich Barbara Schwarz, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, irritiert.

Erstens, weil sich der Gerichtsmediziner privat beauftragen ließ. "Damit schießt sich Leinzinger aus jedem weiteren Verfahren raus." Zweitens, weil er noch keine Anzeige erstattet hat. Schwarz: "Das müsste er eigentlich, wenn er von Fremdverschulden ausgeht." Abgesehen davon war in der Sache "bereits zweimal umfassend ermittelt" worden.

Vom Standard befragt, streitet Leinzinger die Eindeutigkeit, wie sie im Spiegel vor zwei Wochen kolportiert wurde, ab. "Ich habe das Gutachten nur für den Bruder Krölls verfasst, gratis möchte ich betonen, und habe es ihm übergeben. Mit dem Spiegel habe ich nie ein Wort geredet." Mit der Justiz habe er seither nie Kontakt aufgenommen. Die Justiz aber auch nicht mit ihm, obwohl die Geschichte seit zwei Wochen durch deutsche Medien geisterte.

"Stehe da wie ein Volltrottel"

"Ich bin in einem schönen Dilemma und stehe jetzt da wie ein Volltrottel", klagt Institutschef Leinzinger. Aber was stand denn nun im Gutachten? Leinzinger: "Ich habe nie zum Ausdruck gebracht, dass Fremdverschulden im Spiel war. Es gab nur eine gelinde Schlamperei bei den Ermittlungen." Konkret sei es ungewöhnlich, dass der Tod eines hohen Polizeibeamten nicht gleich genauer untersucht wurde.

Was zum Beispiel? "Also, ob er den Einschuss von rechts oder links hatte, das kann nur ein Gerichtsmediziner feststellen. Das haben die Polizisten in diesem Fall gleich selbst in die Hand genommen", führt der Mediziner aus, "aber das sind kleine Schlampereien". Dass der Leichnam von Oberst Kröll nie obduziert wurde, bestätigen sowohl Leinzinger als auch Schwarz. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 21.11.2013)