Obst, Gemüse, Mehl, Gewürze: "D'Speis" im 15. Wiener Gemeindebezirk versorgt bereits 100 aktive Mitglieder.

Foto: Robert Newald

St. Pölten / Wien - Der kühle Herbstwind peitscht eine Wolkendecke über den Himmel von Herzogenburg in Niederösterreich. 13 Kilometer nördlich von St. Pölten liegt das vier Hektar große Feld des Biohofs Mogg. Viele saisonale Gemüsesorten liefert der Familienbetrieb an Foodcoops in Wien. Der 27-jährige Landwirt Richard Mogg zeigt auf die 64 Gemüsesorten, die in schmalen Reihen nebeneinander wachsen. "Wir ernten hier nur das, was gebraucht wird." Am anderen Ende des Ackers knien zwei Männer und suchen mit routiniertem Blick die reifen Zucchini heraus. Die noch zu kleinen Früchte werden ein anderes Mal geerntet.

Bei 200 Erntetagen im Jahr ist man bei der Arbeit im Freien dem Wetter ausgesetzt. "Windig ist es fast immer. Besonders Hitze oder tagelange Regenschauer sind energieraubend, die Dosis macht das Gift. Aber wenn du Landwirt sein willst, brauchst du sowieso an Klescha." Richard Mogg kneift die Augen zusammen und lacht, während er die Kürbisse nach Größen in zwei grüne Kisten aufteilt. Er balanciert mit seinen erdigen Arbeitsschuhen trittsicher zwischen den Früchten. Hinter der harten Arbeit steckt viel Leidenschaft: "Es ist einfach ein super Gefühl, wenn man im Jänner die Samen setzt und im März die Früchte in der Hand hält." Dadurch entsteht ein persönlicher Bezug zu dem Gemüse. "Als einmal ein unerwarteter Frost eine ganze Ackerreihe Kürbisse zerstört hat, hat es mir sogar das Wasser in die Augen gedrückt." Er zündet sich eine Lucky Strike an und inhaliert tief.

Vorfinanzierung per Mitgliedsbeitrag

Der Vertrieb am Biohof Mogg funktioniert mit "Community Supported Agriculture" - kurz CSA. Hier übernehmen die Konsumenten das laufende Jahresbudget durch Vorfinanzierung über einen Mitgliedsbeitrag und bekommen dafür einen saisonalen Anteil der Ernte geliefert. Das bringt faire Bedingungen für die Landwirtschaft: Ernteerfolge und Ernteausfälle werden gemeinsam getragen. In Österreich finanzieren sich aktuell neun Höfe mit CSA - Tendenz steigend.

Das Neonlicht an der Garagendecke des Biohofs beleuchtet hunderte Gemüsekisten, die zur Auslieferung vorbereitet werden. Der kaltfeuchte Duft von frisch gewaschenen Paprika, Tomaten, Karotten, Lauch und Süßkartoffel kondensiert auf dem Display der Waage. Richard Mogg steht hinter einem wackligen Heurigentisch und wiegt die bestellten Ernteanteile penibel ab. Um den Berufsverkehr zu meiden, liefert er täglich zwischen ein und vier Uhr morgens die Kisten der täglichen Ernte aus. "An dieses frühe Aufstehen gewöhnt man sich nie", seufzt Mogg.

Bienen auf der Schmelz

In der 70 Kilometer entfernten Wiener Kleingartenanlage auf der Schmelz startet der Imker Dieter Niessner seinen Kontrollgang zu seinen Bienenvölkern. Früher wurden auf der Schmelz neben Obstbäumen auch Hasen und Hühner gezüchtet, seine Bienen sind als letzte Tierart übrig geblieben. Heute geht es in der Kleingartenanlage mehr um Entspannung und Lifestyle.

Tausende Bienen summen Niessner um den Kopf, während er die Holzrahmen mit den Waben zur Routinekontrolle aus der Kiste zieht. Der Bienenzüchter kümmert sich regelmäßig um seine zwei Völker mit zwei Königinnen und mehr als 100.000 Arbeiterbienen. Das allgegenwärtige Surren der Bienen, das an einen kleinen Ventilator erinnert, führt bei Besuchern oft zu Unbehagen. In seiner linken Hand hält er ein Stück glühende Rinde, der Rauch beruhigt die Bienen. "Ich züchte bewusst eine sehr friedliche Bienenart, das ist auch für die benachbarten Kleingärten wichtig. Mir geht es mehr um Sanftmut als um Ertrag", sagt der 56-jährige Tiroler.

Die markante Note der Linden

In einer alten Holzhütte steht eine kegelförmige Zentrifuge, mit der der Honig aus den Waben geschleudert und in Gläser gefüllt wird. Beim Öffnen der Schuppentüre steigt der warme Geruch von Holzlack und Honig in die Nase. "Die Bienen sammeln den Geruch der Umgebung auf, und das schmeckt man im Honig. Hier ist es die markante Note der Linden von der Schmelz." Auch Niessner liefert seinen Honig an die Foodcoop "D'Speis" im 15. Bezirk.

Um 4 Uhr früh hält der weiße Transportwagen von Richard Mogg vor einem Altbau in der Guntherstraße im 15. Bezirk. Im Mondschein hievt Mogg die großen Gemüsekisten durch die wenige Zentimeter breiteren Türen in die Foodcoop "D'Speis". Hier betritt er eine Welt fernab der mechanisch polierten Produkte in den Supermärkten, eine Mischung aus Greißlerladen und Studenten-WG. In hohen Holzregalen und Kühlschränken haben ungefähr 100 aktive "D'Speis"-Mitglieder die Lebensmittel fein säuberlich einsortiert. Die appetitliche Mischung aus Brotgewürzen und frischem Gemüse macht hungrig. Neben Gurkengläsern, Nudeln und eingelegten Paprika steht auch der Lindenhonig von Dieter Niessner.

Einkauf in "D'Speis"

Dreimal pro Woche treffen sich die "D'Speis"-Mitglieder in dem Lagerraum für ihren wöchentlichen Einkauf, einer von ihnen ist der Pädagogikstudent Ulrich. "Die Qualität der Lebensmittel ist viel besser. Ich kaufe viel gezielter ein und daher spare ich sogar Geld. Ich gebe im Monat zirka 70 Euro fürs Essen aus", sagt der Musiker mit langen Dreadlocks. Das alternative Klischee in den Foodcoops stimmt längst nicht mehr. "Früher waren es schon eher Studenten, aber jetzt ist das Publikum von Müttern mit Kindern bis zu Pensionisten sehr bunt gemischt" , sagt der 25-jährige Student.

Mit einem freiwilligen Mitgliedsbeitrag zahlt der Verein die Lagermiete, in monatlichen Besprechungen stimmen sie über neue Lieferanten oder Investitionen ab. "Die Mitarbeit beim Ladendienst oder im Plenum ist erwünscht, aber nicht zwingend notwendig. Ich selbst hab ein Jahr lang weniger mitgearbeitet, gerade heute hatte ich wieder Zeit für einen Ladendienst", sagt Ulrich. Gleichzeitig räumt die 33-jährige Judith mit ihrem Sohn Moritz das Biogemüse in ihre Einkaufstasche. Was sie daraus kochen wird? "Es wird wohl wieder eine Gemüseplatte, wie immer." (Michael Fasching, DER STANDARD, 21.11.2013)