Einen Kritikpunkt müssen wir uns in diesem Blog wohl oft gefallen lassen: Die meisten Überlegungen für den umweltfreundlicheren Alltag kosten auf den ersten Blick mehr. Sei es der Fairtrade-Kaffee oder die neue Wärmepumpe. Diese Woche soll es um die Körperhygiene gehen und um Möglichkeiten Geld zu sparen. "No poo" wird ein unglücklich betitelter Trend genannt, auf youtube und Blogs finden sich unzählige Anleitungen zum Haarewaschen ohne Shampoo.

Die Gesellschaft ist abhängig von Shampoo, lautet die These der No-Poo-Anhänger. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden die Haare ungefähr alle zwei Wochen gewaschen. Oft wurde dafür auf den Inhalt des Vorratsschranks zurück gegriffen. Heute waschen viele Menschen die Haare täglich, was zu einer gereizten und fettigen Kopfhaut, Schuppen, Haarausfall und brüchigem Haar führen kann. Die Haare werden in der Folge "süchtig" nach Pflegen wie Spülungen, Haarmasken und Ölen.

Körperpflege aus der Küche

Die Versprechen der No-Poo-Bewegung klingen wie ein guter Marketing-Gag: Billig, die Haare fetten viel langsamer nach, bei manchen Menschen bleibt der typische fettige Ansatz irgendwann ganz aus. Und es gelangen weniger Chemikalien in das Abwasser. Eine gängige Methode, die wieder ausgegraben wurde, ist das Reinigen von Kopfhaut und Haaren mit Backsoda, also Natron und das anschließende Spülen mit verdünntem Apfelessig. Dazu kann herkömmliches Backsoda verwendet werden.

Keine frugale Essbar der Kollegen aus dem Lifestyle, sondern das Rezept für eine Haarreinigung.
Foto: derstandard.at

Dabei scheinen die Österreicher sowieso sparsam, was ihre Haare anbelangt: Im Vorjahr gaben sie "nur" 92 Millionen Euro für Shampoos aus. Für Conditioner, Balsam, Kuren, Aufbau- und Repair-Cremen wurden immerhin noch 31 Millionen Euro bezahlt. Das ergab eine Erhebung des Marktforschungsunternehmens RegioData. Zum Vergleich: Ein Liter österreichischer Apfelessig kostet zum Beispiel 1,20 Euro, ein Zehnerpack Backsoda nur 80 Cent. Damit kommt man monatelang aus. Zudem kann man sicher sein, dass keine zusätzlichen Duft-, Farbstoffe, Silikone oder Paraffine enthalten sind.

Zeit für einen Selbstversuch

Wegen seiner guten Hautverträglichkeit ist Natron für empfindliche Haut und Haare geeignet, sagen die Blogger. Sie sind trotzdem skeptisch? Wir auch, aber starten wir einen Selbstversuch. Dafür wird ein großzügiger Esslöffel des weißen Pulvers mit einem halben Liter warmem Wasser vermischt. Wer zuviel Natron beimischt riskiert, dass Kopfhaut und Haare ausgetrocknet werden.

Die zweite Mischung erfolgt nach dem gleichen Verhältnis: Ein Esslöffel Apfelessig auf einen halben Liter warmen Wasser. Die Säure soll die Schuppenschicht der Haare wieder zusammenziehen, gegen Schuppen helfen und die Kopfhaut durchbluten. Zudem ist Essig ein natürliches Desinfektionsmittel.

Die Skepsis

Soweit die Theorie. Der erste Eindruck ist trotzdem gespalten: Die trübe Natronlösung fühlt sich leicht seifig an. Die Apfelessigmischung riecht sehr unangenehm. Oder präziser ausgedrückt: Ein Conditioner, der so stinkt, würde wohl keine Käufer finden. In der Dusche fehlt das bekannte "schäumende" Erlebnis eines herkömmlichen Shampoos, das subjektive Gefühl, sich so richtig zu reinigen bleibt daher zunächst aus. Die Natronmischung wird einfach auf die Kopfhaut aufgetragen und soll kurz einwirken. Die Haare fühlen sich danach nicht anders an, weder besonders sauber noch irritiert.

Es kostet danach allerdings Überwindung, die stinkende Essigmischung über den Kopf zu leeren. Aber es lohnt sich: Die Haare werden sehr weich und sind einfach zu kämmen. Ein kurzes Schnuppern ergibt, dass sich der Essiggeruch nach gründlichem Ausspülen vollkommen verflüchtigt hat. Die Glanzwirkung kann in Regionen mit stark kalkhaltigem Wasser verstärkt werden, indem Mineralwasser verwendet wird.

Die Nachteile

Natron ist ein "Farbzieher". Gefärbte Haare können daher schnell ausbleichen. Die saure Spülung legt die Haarschuppen zwar wieder an, aber die Farbe wurde trotzdem schon "rausgespült". Viele Selbsttester berichten davon, dass sie eine Zeit der Umstellung benötigten, da die Kopfhaut schneller nachfettet oder Schuppen entstehen. Dieser Effekt würde jedoch nach vier bis sechs Wochen verschwinden, wenn sich die Kopfhaut an die neue Pflege gewöhnt hat. In einigen Wochen wird es noch einen Nachbericht folgen, der Fairness halber geben wir der übelriechenden Methode einige Zeit. Für den Notfall gibt es ebenfalls ein Hausmittel aus der Küche: Das Kopfhautpeeling mit braunem Zucker. (jus, derStandard.at, 19.11.2013)