Heute beginnt am Landesgericht Klagenfurt der vierte und bisher wichtigste Prozess um die Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank. Es handelt sich um das bisher größte Strafverfahren in der Hypo-Causa. Auf der Anklagebank sitzen mit Wolfgang Kulterer, Siegfried Grigg und Tilo Berlin drei Ex-Hypo-Chefs sowie der ehemalige Vorstand der Hypo-Leasing Josef Kircher. Es geht um das zweite Hypo-Vorzugsaktiengeschäft im Ausmaß von rund 100 Millionen Euro aus dem Jahr 2006. Den ehemaligen Bankvorständen wird vorgeworfen, reichen Kunden, darunter die Flick-Stiftung, die ebenfalls als Beitragstäterin angeklagt ist, Aktien zu besonders guten Konditionen angeboten und sogar mit einer garantierten Rückkaufszusage der Bank (Put-Option) versehen zu haben. Für die betuchten Kunden praktisch ein risikoloses Geschäft, an dem sie bestens verdienten ­- für die Bank laut Staatsanwaltschaft ein schwerer Schaden. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Damit wird nun wohl ein weiteres Kapitel des Milliardengrabs Hypo Alpe Adria, für das letztlich wohl die Republik aufkommen muss, aufgearbeitet.

Kärntner Korruptionsaffären im Visier der Justiz

Das Hypo-Desaster, das die österreichische Bevölkerung noch viele Milliarden kosten wird, erschütterte die Republik. Zahlreiche weitere Kärntner Affären harren noch der Aufarbeitung durch die Justiz: etwa die Affäre um die freiheitliche Werbeagentur Connect, bei der wegen Scheinrechnungen an Firmen, die von Landesaufträgen profitierten, ermittelt wird.

In der Causa BZÖ-Wahlkampfbroschüre sind die Anklagen gegen Altlandeshauptmann Gerhard Dörfler, die Ex-Landesräte Harald Dobernig und Uwe Scheuch sowie Wahlkampfleiter Stefan Petzner schon bei Gericht eingelangt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt auch noch in weiteren Fällen, so etwa zum massiv überteuerten Ankauf von Seenimmobilien von ÖGB und Bawag durch das Land Kärnten und in der sogenannten Top-Team-Affäre, die die Kärntner SPÖ in Bedrängnis bringen könnte.

Fast überall geht es um den Verdacht der Untreue, der Korruption und illegaler Parteienfinanzierung. Sichtbar wurde bei all dem vor allem der dicke blau-orange Filz, mit dem der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider das ganze Land überzogen hatte -  und der ausgezogen war, Kärnten und die Republik vom roten Filz und dem rot-schwarzen Proporz zu befreien.

Die neue Regierung hat für Kärnten die Wende versprochen.

Wendewahl - Vertrauen schwindet

Was hat sich nun in Kärnten seit der großen Wendewahl am 3. März 2013 verändert? Dabei wurden Haiders Erben bekanntlich ja vom Wähler weggefegt, die aufgrund der blauen Unterdrückung zusammengeschweißte Opposition von Rot-Schwarz-Grün regiert heute gemeinsam das Land. Die Wendekoalition muss jetzt in dem hochverschuldeten Land in erster Linie den blauen Trümmerhaufen aufräumen und ein drastisches Sparpaket schnüren, das sich durch das aktuelle Milliardenloch im Bundesbudget noch weiter verschlimmern dürfte.

Doch das Vertrauen in die neuen Koalitionäre beginnt zu schwinden. Zumal  bei den Justizermittlungen zum Seenkauf und der Top-Team-Werbeagentur auch rote Spitzenpolitiker involviert sind. Der Vorwurf parteipolitischen Postenschachers, diesmal wieder in Rot, steht im Raum und hat bereits ernsthafte Koalitionsturbulenzen ausgelöst.

Dabei steht ein weiteres Kärntner Großunternehmen im Fokus: die Kärntner Landesspitäler (Kabeg), mit rund 8.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber des Landes. Und mit einem (außerbudgetären) Schuldenberg von rund 1,3 Milliarden Euro, der irgendwann einmal abgetragen werden muss. Die Kabeg ist ein ausgegliederter Rechtsträger des Landes, der Kabeg-Vorstandsposten daher eine der wichtigsten Schlüsselfunktionen. Nicht zuletzt wird es vom neuen Vorstand abhängen, ob die Kabeg nach Jahren eines blauen Schlingerkurses wieder in ruhigeres politisches Fahrwasser kommt und nachhaltige Reformen im Kärntner Gesundheitswesen umgesetzt werden können.

Nun steht also fest, wer neuer Kabeg-Vorstand ab 1. Jänner 2014 wird. Es ist Arnold Gabriel, der derzeitige Büroleiter von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Der Posten wurde zwar über die Personalberatungsfirma Deloitte ausgeschrieben und Gabriel als Bester ermittelt. Es hatten sich aber auch etliche andere qualifizierte Bewerber gemeldet, die zum Teil schon im Vorfeld Absagen bekamen. Letztlich machte dann doch der seit Jahrzehnten im Kärntner Gesundheitswesen tätige Gabriel im politisch besetzten Kabeg-Aufsichtsrat das Rennen. Ohne zuvor einen Bericht des Landesrechnungshof zur Transparenz der Ausschreibung abzuwarten, wie zuerst vereinbart, zogen SPÖ und Grüne die Bestellung Gabriels in einer zweiten Aufsichtsratssitzung durch.

Mithilfe eines BZÖ-Aufsichtsrats, der zuerst gegen Gabriel gewesen war und dann "umgefallen" sei, heißt es. Ob es sich dabei um eine orange Dankabstattung handelt, dafür dass den beiden BZÖ-Abgeordneten im Landtag der Status einer Interessengemeinschaft zugebilligt wurde, bleibt offen. Sollte jetzt einer der abgewiesenen Bewerber klagen, könnte das weitere Malversationen und finanzielle Kosten für das Land Kärnten bedeuten. ÖVP, FPÖ und Team Stronach jedenfalls verurteilten den aus ihrer Sicht geplanten "roten Postenschacher" scharf. Und man sieht bereits wieder die alten Zeiten eines Betonsozialismus der Leopold-Wagner-Ära anbrechen. Schwierig wird es für den neuen Kabeg-Vorstand allemal, da es dann keinen politischen Konsens bei heiklen Fragen, etwa der künftigen Leistungsplanung, oder bei diversen Großinvestitionen mehr geben würde. Zudem wird gegen Arnold Gabriel in der roten Top-Team-Affäre ermittelt - er gilt als Beschuldigter. Würde er angeklagt, geschweige denn verurteilt, wäre die Kabeg de facto führungslos.

Koalition für ÖVP "erschüttert"

Die ÖVP stellte in der ersten Empörung über die Kür Arnold Gabriels zum Kabeg-Vorstand die Koalitionsrute ins Fenster, und man musste sogar den Koalitionsausschuss einberufen. Letztlich blieb der ÖVP jedoch nichts anderes übrig, als die vollendeten Tatsachen zu akzeptieren. Laufen doch in Wien gerade die Koalitionsverhandlungen für die Bildung einer rot-schwarzen Bundesregierung. Da will man sich durch Kärntner Querschüsse nicht stören lassen. Ein Ausstieg aus der Kärntner Koalition würde auch bedeuten, dass dem einzigen VP-Landesrat Wolfgang Waldner die wenigen attraktiven Referate oder die Mittel dafür entzogen werden könnten. Rot und Grün hätten in der Landesregierung zudem eine  Mehrheit gegen ÖVP, FPÖ und Team Stronach.

Handzahme Grüne

Das weiß man in der SPÖ und man will sich deshalb bei Postenbesetzungen im Landesdienst und bei landesnahen Gesellschaften auch nicht dreinreden lassen. Zudem erweisen sich bis dato die früher aufmüpfigen grünen Aufdecker in ihrer Regierungsfunktion als handzahme Partner der SPÖ. Landeshauptmann Peter Kaiser hat im Landesdienst zudem die alleinige Personalhoheit. Bei den Koalitionsverhandlungen hatten die anderen Koalitionsparteien kein Mitspracherecht in Personalagenden herausverhandelt. Möglicherweise ein schwerer Fehler, wie sich jetzt zunehmend herausstellt. Immer öfter hört man aus ÖVP-Reihen deutlichen Frust über die Zusammenarbeit mit Rot und Grün heraus. Mit der FPÖ sei es früher viel leichter gewesen als heute mit der SPÖ. "Das Vertrauen ist jedenfalls tief erschüttert", deponiert ein grollender ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer, der seine "neue"  ÖVP vom Odeur eines Steigbügelhalters der seinerzeitigen blau-schwarzen Koalition fernhalten will, die infolge des Skandals um das Hypo-Millionenhonorar für den Steuerberater Dietrich Birnbacher und mit dem Eingeständnis des früheren VP-Chefs Josef Martinz, illegal Geld für die Partei genommen zu haben, zerbrach.

Nachträgliche Objektivierung für rote Vertrauensleute

Zudem stellt die Berufung Arnold Gabriels nicht den ersten personellen "Sündenfall" der Wendekoalition dar.

So bestellte Landeshauptmann Kaiser Michaela Slamanig, eine promovierte Sozialpädagogin der Volkshochschule, per Dringlichkeitsparagrafen zur neuen Landesfrauenvorsitzenden. Die bisherige Frauenchefin musste krankheitshalber in Frühpension gehen. Als Nachfolgerin war eigentlich deren Stellvertreterin Barbara Fuchs, die die Geschäfte bereits interimistisch führte, vorgesehen. Zumindest hätte sie sich beworben, wenn die Stelle nach dem Kärntner Objektivierungsgesetz ausgeschrieben worden wäre. Dies soll jetzt nachgeholt werden, obwohl Kaisers Wunschkandidatin bereits in Amt und Würden ist. Ebenso war man mit der Besetzung des Chefsessels im Kärntner Landespressedienst vorgegangen. In diesen wurde Gerd Kurath, früher im SPÖ-Klub tätig, gehievt. Auch er muss nachträglich objektiviert werden. Was spannend werden könnte, zumal sich in dem bereits laufenden Verfahren neben Kurath 14 weitere Bewerber gemeldet haben. Aber möglicherweise gilt es als "Startvorteil", wenn man bereits in der ausgeschriebenen Position tätig ist.

Man wolle sich eben Vertrauensleute in wichtige Positionen holen, so lautete die Rechtfertigung von Landeshauptmann Kaiser, der eine Neufassung des Objektivierungsgesetzes überlegt, indem Vertrauensleute ausgenommen werden könnten.

Objektivierungsverfahren

Mit besonderer Aufmerksamkeit werden jetzt auch die Objektivierungsverfahren für die Neubesetzungen des Kärntner Patientenanwalts und des Kärntner Pflegeanwalts verfolgt. Für erstere Position gibt es elf Bewerber, für den Pflegeanwalt immerhin 22. Vor allem die ÖVP beobachtet die laufenden Verfahren mit Argusaugen. Sollten wiederum SP-nahe Personen zum Zug kommen, dürften neben der Opposition aus FPÖ, BZÖ und Team Stronach auch die Kärntner ÖVP endgültig rotsehen.

Aus dem frischen Wind der Wende würde dann wohl bald ein Sturm des Aufruhrs werden. (Elisabeth Steiner, derStandard.at, 18.11.2013)