Wien - Zu einem ordentlichen Orchesterknaller entledigt sich Manrico seiner Nonnengewänder und setzt zur Befreiung seiner angebeteten Leonora an. Sein Rivale, Graf Luna, hat - was Tarnung anlangt - noch Kühneres im Sinn: Jenes Kruzifix, das auf dem Kirchenboden liegt, hat er von der Jesusstatue befreien lassen, um sich selbst aufs Kreuz zu legen und - von einem Tuch bedeckt - seiner Interventionschance zu harren.

Die Szene jedoch geht zu Lunas Ungunsten aus (Manrico flieht mit Leonora), weshalb er sich schließlich von Leid gebeutelt die Dornenkrone aufsetzt. An anderer Stelle treffen die Rivalen als Zorros verkleidet aufeinander - auch so ein komischer Augenblick in dieser von Bonn an die Volksoper transferierten Inszenierung von Verdis Il Trovatore.

Regisseur Dietrich W. Hilsdorf (Ko-Regie Ralf Budde) hatte bei dieser wirren Geschichte um verrückte Liebe und Rache zwar wohl Ernstes im Sinn. Sein Zugang jedoch setzt schrullige szenische Rufzeichen. Außerdem überbetont er das Sadistische der soldatischen Kollektivseele und zeigt auch Missbrauch von Macht nur derb: Es werden Menschen in Käfigen gehalten, um sie als "Zugabe" noch zu foltern. Es wird vergewaltigt. Und wie zum Schluss hin nur noch innerlich ramponierte Kreaturen die Bühne bevölkern, wird das Offensichtliche auch noch äußerlich ausgereizt:

Manrico sieht sich all seiner Troubadour-Finger beraubt und muss sich - als Zusatzdemütigung - eine Kindergitarre um den Hals hängen lassen. Azucena wiederum, die ihn aufgezogen hat, ist ihm zwar in dieser Situation ganz nah. Zu sehen vermag sie Manrico jedoch nicht mehr - ihr wurden die Augen ausgestochen.

Skurril wirkt da vieles ob seiner Grellheit - eine Opernparodie hätte es nicht besser hinbekommen. Und da ansonsten nur der öde szenische Stillstand eines Arienabends in Kostümen dominiert, drängt das Element des unfreiwillig Komischen umso grotesker herein. Das Ganze erinnert in seiner Machart dann auch irgendwie an einen Stummfilm aus der Frühphase des Genres. So man Tiefpunkte dieses Verdi-Jahres suchen sollte, wird man an dieser anachronistischen Verdi-Version nicht vorbeikommen.

Musikalisch wiederum ein sehr passables Bild, was zunächst nicht zu hoffen war: Janina Baechle musste als Azucena kurzfristig absagen. Doch die zufällig in Wien weilende Chariklia Mavropoulou (sie war bei der Bonner Produktion dabei) erwies sich nicht nur als vokal sattelfest und im Dramatischen imposant. Ironischerweise wirkte sie als rachesüchtige Tragödin szenisch bereichernder als ihre Kollegenumgebung.

Alle anderen genossen - in unterschiedlicher Intensität - die Vorteile, von jedweden vertiefenden Darstellungsbitten unbehelligt geblieben oder solchen nicht gewachsen zu sein. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühte sich Melba Ramos (als Leonora) um Innigkeit - auf der zwischen edlem Salon der Verdi-Zeit und trostlosem Mauerwerk angelegten Ambiente (Bühnenbild: Dieter Richter). Sie schaffte es zumindest vokal, respektabel über die Runden zu kommen. Tito You (als Graf Luna) konnte seiner klangschönen Stimme hingegen nichts darstellerisch Adäquates zu Seite stellen, wie auch Stuart Neill (als Manrico), der vielfach statt Differenzierung tenorale Kraft bot. Immerhin erfüllte er alle Hochtonanforderungen. Bemerkenswert kompakt wiederum Yasushi Hirano (als Ferrando).

Dirigent Enrico Dovico animierte das Orchester zu solidem Verdi-Dienst. Am besten klang es, so man im mittleren Ausdruckbereich verweilte. Exponierte Stellen wirkten marschmäßig üppig, sanfte hingegen etwas energielos blass. Es gab jedoch auch Stellen, an denen die Bühnenvorgänge von der instrumentalen Energie profitierten. Applaus gab es reichlich. Wenige Buhs für die Regie. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 18.11.2013)