Theoretisch könnte der Bundespräsident mit der Regierungsbildung Personen beauftragen, die sein Vertrauen genießen. Er könnte z. B. meinen, dass Werner Faymann und Michael Spindelegger bisher von einem Budgetloch ins andere taumeln und die von ihnen befehligten Untergruppen bei den Koalitionsverhandlungen (laut Insidern) nichts als Überschriften produzieren.

Thomas Klestil hat so etwas 1999/2000 schon versucht: da sich abzeichnete, dass Viktor Klima mit Wolfgang Schüssel keine Regierung zusammenbringen würde (weil Schüssel mit Haider wollte), bestellte Klestil Hannes Androsch (SP) und den Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (VP) ein, um sie zu fragen, ob sie eine Regierungsbildung versuchen wollten. Sie wollten nicht, und es hätte auch nicht geklappt.

Es bleibt wohl bei Faymann und Spindelegger. Ihr erster Schritt war jetzt, das Budgetloch auf 24,2 Milliarden kleinzurechnen. Diese Zahl zeigt das "strukturelle Defizit", ohne die (vermuteten) Konjunkturschwankungen sowie Einmal- und Sondereffekte.

Dieser Wert hat seine Vorteile, denn er zeigt, wie ein Staat, egal was geschieht, permanent mit seinen Einnahmen nicht auskommt und zu hohe Ausgaben hat. Natürlich kann ein Staat auch seine laufende Gebarung wie etwa Beamtengehälter und Pensionen teilweise mit Krediten finanzieren. Zum Problem wird das erst, wenn der entsprechende Bedarf zu groß ist, immer größer wird und ein Dauerzustand - also "strukturell" - wird.

An der aktuellen Misere zeigt sich: Die Milliarden für die Bankenrettung sind (hoffentlich) ein auf wenige Jahre begrenztes Sonderproblem. Die Lücke im Pensionssystem hingegen ist ein "strukturelles" Defizit. Die Beiträge reichen nicht. Es besteht eine permanente Unterdeckung, die durch Staatszuschüsse (derzeit zehn Milliarden!) ausgeglichen werden muss. Dieser Zuschussbedarf erhöht sich aber jetzt nach Prognose der Pensionskommission um (kumuliert) 8,7 Milliarden bis 2018 und macht damit einen ganz erklecklichen Teil des neuen Budgetlochs aus. Als "strukturell" wurde davon jetzt nur die Hälfte angenommen.

Die Ursache: Es ist nicht gelungen, das tatsächliche Pensionstrittsalter auch nur über 60 Jahre zu bringen (kleines Detail: durchschnittliches Antrittsalter bei Invaliditätspensionen für Frauen 50,3 Jahre, für Männer 53,8 Jahre; seit ein paar Jahren erfolgt ein Drittel aller Neupensionen wegen "Invalidität"). Es gibt keinen politischen Willen und keine gesellschaftliche Übereinkunft, da wirklich etwas zu ändern. Höchstens bei den sogenannten "Luxuspensionen", aber auch da ist wütender Widerstand zu erwarten, wie man bei den OeNB-Pensionisten sieht und bei den SV-Pensionisten sehen würde.

Das Beispiel der Pensionen wurde gewählt, weil diese erstens einen großen budgetrelevanten Brocken ausmachen und sich zweitens hier besondere Reform- und Realitätsverweigerung zeigt. Aber es gibt auch genug andere "heilige" Ausgabenposten, etwa bei den Förderungen, die zum strukturellen Budgetdefizit beitragen. Und es gibt ein strukturelles Defizit an Realitätserkenntnis und Umsetzungswillen in einem Staat, wo das herrschende Prinzip der Politik der Klientelismus geworden ist. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 16.11.2013)