Österreich leidet an einem Loch. Das Loch ist akut. Das Loch ist unerwartet. Das Loch ist, dem vernunftbegabten Ozean in Lems Solaris nicht unähnlich, vermutlich eine intelligente fremde Lebensform. Immerhin hat es das Loch geschafft, selbst hochkarätige Fachkräfte, in deren Händen unser Wohl und Wehe bis dahin geruht hat, geradezu perfide auszutricksen.

Das perfide Loch tarnte sich perfekt, wie sich jedes Monster in einem durchschnittlichen Horrorfilm tarnt, hielt still und lag auf der Lauer. Unbemerkt, unbeachtet, hochgefährlich und vor allem: außer Kontrolle. Wie in jedem durchschnittlichen Horrorfilm auch gab es natürlich auch jene paar Nichternstgenommenen, die durchaus versucht haben, rechtzeitig auf das Loch und die von ihm ausgehenden Gefahren hinzuweisen. Aber leider, leider fanden diese einsamen Rufer kein Gehör.

Und nur so konnte es geschehen, dass die dunkle Bedrohung plötzlich ihr grausiges Maul aufriss und mitten unter uns aufklaffte, als die Nation sich bereits in Sicherheit wähnte und in freudiger Erwartung diverser vollmundig versprochener Wahlzuckerln harrte. Und natürlich war niemand dafür verantwortlich, denn niemand hatte es kommen hören, wie auch: Das Böse kommt auf leisen Sohlen und nicht etwa impertinent trampelnd daher. Jedenfalls bis zum Wahltag.

Danach wuchs der Trampelgehalt ins Unermessliche. Der griechische Trauerchor brach los, vorläufig ohne parlamentarisches Amphitheater. Was wer nie gewusst hatte und auch nur ahnen hätte können. Was man immer schon über das Budgetloch wissen wollte, aber nie zu fragen wagte. Statt der Nikolaus- plötzlich die Überraschungstüte.

Das Team Stronach, jene Partei, die für unerwartete Wendungen mit dem Spielchen "Monika Lindner rein und Frank Stronach raus" gesorgt hatte, schrie "Wählertäuschung". Diverse Schimpfwortvariationen, die rektale Ausgänge aller Art zum Inhalt hatten, wurden zu einem kompakten "du Budgetloch!". Das Loch war aber auch gnädig: In seinem Sog geriet die Diskussion um den Dritten Nationalratspräsidenten Hofer in den Hintergrund. Hofer werkte mit Steilvorlage am Ausfüllen der tiefen Stapfen von Martin Graf und sinnierte passend zu den Gedenkfeierlichkeiten um den 9. November über die Unnötigkeit des Verbotsgesetzes, während die kleinen Lausebengel vom Objekt 21, das wohl genauso wenig existierte wie die Area 51, nach ebenjenem Gesetz verurteilt wurden und mit solch prominenter Rückendeckung fast allesamt dagegen beriefen.

Mit den alten Nazis verfuhr man hingegen auf bewährt traditionelle Art und Weise: als Lebende gemütlich in Ruhe gelassen, als Tote allerdings unerwünscht. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 16./17.11.2013)