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Ist das ein bloßer Zufall? Oder steckt dahinter ein System? Sabotiert Apple gezielt Software und Geräte?

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Jedes Mal, wenn Apple mit einer neuen Version des iPhone oder iOS aufwartet, beschleicht den Nutzer das Gefühl, dass sein Gerät oder seine Software alt aussieht. Und er selbst damit auch. Um auf dem neuesten Stand zu sein, schickt sich die Apple-Gemeinde an, das neueste Tool zu kaufen. Doch die Triebfeder ist womöglich kein ideeller Avantgarde-Begriff, sondern pure technische Notwendigkeit. Catherine Rampell konstatierte jüngst in einem Beitrag für das New York Times Magazine, dass die Abnutzung der Apple-Ausstattung mit dem Launch neuer Produkte zusammenfällt. Die Autorin beschreibt in dem Artikel, dass ihr iPhone 4 kurz vor dem Release des iPhone 5S und 5C plötzlich langsamer wurde. Überdies wurde der Akku schneller leer. Doch das war kein Einzelfall. "Das gleiche widerfuhr einer Vielzahl von Leuten, die wie ich auf Apple Produkte schwören", berichtet Rampell.

Sabotiert Apple

Ist das ein bloßer Zufall? Oder steckt dahinter ein System? Sabotiert Apple gezielt Software und Geräte? Der Beitrag hat eine Debatte in der Netzgemeinde ausgelöst. Nun gibt es immer wieder Leute, die derlei Verschwörungstheorien anhängen. Das Internet bildet dazu den geeigneten Humus. Und neu sind die Vorwürfe der digitalen Obsoleszenz, des eingebauten Produktverfalls, auch nicht. Neu ist aber die Art und Weise, über den Irrsinn unserer Wachstums- und Wegwerfgesellschaft zu reflektieren. Allein in den USA werden nach Angaben der Environmental Protection Agency täglich eine halbe Million elektronischer Geräte – Computer, Fernseher, Handys – weggeworfen. Ein immenser Verschleiß. Und die Zyklen, in denen neue Produkte angeschafft werden, werden immer kürzer.

Abnutzung

Inwieweit beschleunigt aber die Industrie diesen Verfallsprozess? Fakt ist: Elektronische Geräte haben eine gewisse Halbwertszeit. Oberflächen, Tasten und andere haptische Komponente nutzen sich mit der Zeit ab. Akkus haben nur eine begrenzte Lebensdauer, weil dahinter ein chemischer Prozess steht, der nach ein paar tausend Vorgängen einfach erschöpft ist. Darin liegt zunächst kein Herstellerproblem, sondern ein technisches. Auch beim Konkurrenzmodell des iPhone, dem Samsung Fascinate, geht irgendwann die Akkuleistung zur Neige. Ebenso ist der Vorwurf, Apple mache seine Software bewusst komplexer, nur bedingt gültig – die neuen Animationen auf iOS 7 können beispielsweise abgestellt werden.

Whisker

Und doch gibt es einen evidenten Materialverschleiß. Einige Experten sehen die Ursache im sogenannten Whiskerwachstum. Wenn man Elektronikteile mit reinem Zinn Teile verlötet, bilden sich mit der Zeit Whisker, winzig feine Fäden, die die Leiterplatten beeinträchtigen und im schlimmsten Fall zum Kurzschluss führen. Eine Zinn-Nickel-Legierung verhindert Whiskerwachstum. Doch die Europäische Union hat mit der Richtlinie 2002/95/EG die Verwendung des Werkstoffes wegen der damit verbundenen Gesundheitsrisiken verboten. Der Technikjournalist Tim Worstall schreibt: „Durch die bewusste Gestaltung lassen wir die gesamte Unterhaltungsindustrie Boards und Geräte mit eingeplanter Überalterung bauen. Ein Hauptgrund, weshalb die Konsumelektronik eine kürzere Lebensspanne hat als eigentlich möglich, ist, dass es das Recht so vorschreibt." Geräteausfall per Gesetz. Worstalls unterschwellige Botschaft ist: Nicht die Hersteller sind schuld, sondern die Ökoaktivisten, die mit einer viel zu rigiden Umweltgesetzgebung den Geräteausfall gewissermaßen vorprogrammieren.

Die Tricks sind subtiler geworden

Gleichwohl: Diese Ansicht ist zu einseitig. Der Vorwurf, dass Apple bewusst auf Materialverschleiß setzt und die Kunden zum Kauf neuer Produkte animieren will, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Da ist zum Beispiel der Klebstoff: das neue iPad ist so verklebt, dass man ohne Spezialwerkzeug gar nicht ins Gehäuseinnere vordringen kann. Bisweilen ist der Austausch von Bauteilen überhaupt nicht möglich. Für großen Ärger sorgte einst der festinstallierte Akku des iPod, dessen Lebensdauer auf 18 Monate begrenzt wurde. Die empörten Kunden reichten eine Sammelklage ein – und hatten Erfolg. Der Konzern musste einen qualitativ hochwertigeren Akku einbauen. Apple eine generelle Pfuschstrategie zu unterstellen, ist aber schwierig. Die Tricks sind subtiler geworden. Mittlerweile gibt es Antifeatures, also die Taktik, technische Neuerungen nur scheibchenweise einzubauen und gezielt zurückzuhalten. Die Wochenzeitung „Zeit", sonst nicht gerade für agitatorische Beiträge bekannt, denunzierte die Methoden der „Technikmafia": „Womöglich wenden die Konzerne einen großen Teil der Innovationskraft ihrer Forschungsabteilungen längst nicht mehr für die Optimierung von Produkten auf, sondern für die Verfeinerung von Verschlechterungssystemen." Der Fehler liegt wohl nicht nur bei den Herstellern, sondern im System: Der Markt schafft Anreize, Produkte zu lancieren, die keinen technischen Fortschritt bringen, sondern einen Rückschritt. Ein Paradoxon. Bekam der Kunde einst für mehr Geld bessere Leistungen, bezahlt er heute für den Abbau absichtsvoll geschaffener Hindernisse. (Adrian Lobe, derStandard.at 17.11.2013)