Franz Hermann in seinem Garten, dessen Oberfläche ab dem Frühjahr großteils ausgetauscht wird.

Foto: Newald

Angern an der March - Heiß und trocken sind die Sommer in Angern an der March an der niederösterreichisch-slowakischen Grenze. Der nächste Sommer wird vor allem eines werden: staubig. Sobald die Schneeglöckchen sich Richtung Himmel strecken, also ungefähr ab März, fahren in der 3300-Einwohner-Gemeinde die Bagger auf, um 26.000 Kubikmeter giftiges Erdreich wegzuschaufeln, Blumenbeete, Rasenflächen, Thujenhecken und Forsythien gleich mit. Auch haushohe Fichten reißen die Arbeiter auf Wunsch aus.

Seit zehn Jahren ist ein 11,2 Hektar großes Areal in Angern als Altlast ausgewiesen, doch erst seit einem Jahr ist man alarmiert: Das Umweltbundesamt warnte vor möglicher "erhöhter Schadstoffaufnahme durch Menschen". Nun steht das weitere Vorgehen fest: Ab März rollen die Bagger an, bis August sollen sie wieder abziehen, so der Plan der Bundesaltlastensanierungsgesellschaft (Balsa). Wer die Arbeiten durchführen wird, ist noch unklar. Gerald Luschin von der Balsa schätzt die Kosten auf 9,6 Millionen Euro, für die zunächst der Altlastensanierungsfonds aufkommt. Projekte dieser Größenordnung sind EU-weit auszuschreiben.

Sommer zum Vergessen

"Den Sommer kann man heuer vergessen", meint die Angerner Hausbesitzerin Manuela Edelmann. Der aufstellbare Pool bleibt verstaut. Edelmann zählt zu den 47 Grundstückseignern in Angern, die sich dazu entschlossen haben, Erdreich abtragen zu lassen. Auch das Wiederauffüllen und die Erstsaat für Rasen müssen die Betroffenen nicht bezahlen.

Die Giftstoffe in Edelmanns Garten stammen von einer Fabrik für Teerstoffe, die in den Jahren 1860 bis 1924 in Betrieb war. Heute befinden sich auf dem Areal 57 Privatgrundstücke, auf den meisten stehen Einfamilienhäuser. Der Boden ist teilweise bis oben hin mit Fabriksrückständen kontaminiert: Da finden sich Arsen, Quecksilber und Blei. Der Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe wird mancherorts um ein Vielfaches überschritten: 20 Milligramm pro Kilogramm wären zulässig, bis zu 8000 wurden bei Bodenproben gefunden. Was genau mit dem Erdreich geschehen wird, wird erst nach weiteren Untersuchungen feststehen.

"Das zieht sich schon ewig"

Einem Angerner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, geht das alles zu langsam: "Das zieht sich ja schon ewig", sagt der Herr, der meint: "Wir sind die zweite Fischerdeponie."

Bürgermeister Robert Meißl (SP) betont hingegen, dass die Menschen bunte Pläne schmieden: "Die Leute überlegen sich schon, wo sie nachher die Thujen haben wollen." Die Betroffenen durften sich laut Meißl aussuchen, welche Teile des Gartens dran glauben müssen. Bäume werden nur auf Wunsch entfernt.

Brunnenverbot

Tiefer liegende Gifte verschmutzen aber weiterhin das Grundwasser, denn zugeschüttete Teerbecken bleiben unangetastet. Viele Angerner dürfen ihre Brunnen nicht verwenden. Zunächst muss geklärt werden, wer für die Sanierung der Altlast aufkommt, erst dann könnten weitere Schritte gesetzt werden. Bund und Nachfolgefirma des Verursachers liegen derzeit aber noch im Rechtsstreit.

Franz Hermanns Nachbarin lässt die Bagger nicht auf ihren Grund. "Die hat es sehr schön hergerichtet im Garten", gibt der 66-Jährige zu bedenken. Er selbst nimmt's sportlich und sieht es positiv, dass er zwei haushohe Fichten vor seinem Fenster fällen lassen kann, wenngleich er weiß: "Im Sommer werde ich gegrillt." (Gudrun Springer, DER STANDARD, 15.11.2013)