Bild nicht mehr verfügbar.

Die Familien gehen leer aus.

Foto: dpa/Gebert

Seit dem Jahr 2000 wurde die Familienbeihilfe nicht erhöht, real hat sie seither fast 30 Prozent an Wert verloren. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode wurde von den Studierendenvertretern aller Parteien, Familienorganisationen, der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft, der Industriellenvereinigung, der Caritas, Familienforschern und anderen Experten eine Anpassung gefordert. Jetzt soll sie trotz anders lautender Versprechen nicht erhöht werden. Noch im vergangenen Juni hatten SPÖ und ÖVP ein "Familienpaket" präsentiert. Neben dem Ausbau der Kinderbetreuung, die trotz des Budgetlochs auf dem Plan der Bundesregierung steht, sollte eigentlich auch die Familienbeihilfe erhöht werden.

"Wir legen uns fest. Das ist ein gemeinsames Anliegen, dass sowohl Geld- als auch Sachleistungen erhöht werden", hatte Bundeskanzler Werner Faymann versprochen. Gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode sollte das Vorhaben umgesetzt werden, so Faymann damals. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte zugleich, dass das Gesetz erst nach der Wahl verabschiedet werden könne, weil man sich zuvor noch mit den Ländern einigen müsse.

Familienlastenausgleichsfonds

Die "lange vorbereitete Einigung" sei für die Familien sehr wichtig, sagte damals Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Warnungen des Wifo-Chefs Karl Aiginger, wonach die Erhöhung der Familienbeihilfe nicht finanzierbar sei, schlug die Bundesregierung in den Wind. Leisten könne man sich das Paket aufgrund der guten Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Dieser wäre auch unter Berücksichtigung des neuen Modells auf Basis der aktuellen Prognose 2019 schuldenfrei, hieß es damals. Auch Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte versichert, dass man sich das Paket leisten könne. Noch im Juni 2013 verwies sie auf die "Rekordbeschäftigung", wodurch sich der FLAF auf "gutem Weg" befinde: "Das wird den Steuertopf nicht belasten."

Nun wurde die Erhöhung der Familienbeihilfe abgesagt. Dies reduziert das Budgetloch um rund 200 Millionen Euro jährlich und damit über die gesamte fünfjährige Legislaturperiode um etwa eine Milliarde.

Mazal: Einsparungen ohne Verhandlungen

"Überrascht" zeigt sich Wolfgang Mazal, Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Denn die Regierung habe in einem Ministerratsbeschluss schon eine Erhöhung der Familienbeihilfe beschlossen. Mazal im Gespräch mit derStandard.at: "Es ist klar, dass nicht alle Zusagen eingehalten werden können, wenn das Budget konsolidiert wird. Auffallend und bestürzend ist, dass hier offensichtlich primär die Zusage an die Familie nicht eingehalten wird. Das ist keineswegs zwingend." Es gebe auch andere Zusagen, die gemacht wurden, die man ebenfalls nicht hätte einhalten müssen.

Mazal bedauert es zudem, dass man sich "bereits auf sehr konkrete Einsparungen festlegt, ohne dass die Verhandlergruppen über diese Fragen diskutiert haben". Es wäre ausreichend gewesen, einen Budgetpfad festzulegen und es den materiellen Verhandlern zu überlassen, in "welchen Bereichen sie Prioritäten neu setzen und Umschichtungen vornehmen".

Industriellevereinigung: Familienförderung interessant einsetzen

Christian Friesl, Bereichsleiter für Bildung und Gesellschaft in der Industriellenvereinigung, bedauert, dass die Regierung die Pläne zur Reform der Familienförderung abgesagt hat. Trotzdem war die Ausweitung der Familienbeihilfe nur "eine unter vielen Maßnahmen“. Der Lastenausgleich sollte nicht das einzige Ziel einer Reform sein. Friesl verweist auf das vor einem Jahr vorgestellte Reform-Modell der IV, das aufkommensneutral war und vor allem die steuerliche Entlastung für Familien und den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze vorgesehen hatte. Für die Familienförderung stünden jährlich neun Milliarden Euro zur Verfügung, Ziel der Regierung sollte eine Reform sein, dieses Geld interessant und effektiv einzusetzen.

Grüne: "Kinder keine Frage der Leistbarkeit"

Nicht nur Mazal, auch Interessengruppen und Oppositionsparteien sind empört. Die grüne Familiensprecherin Daniela Musiol wirft SPÖ und ÖVP Wählertäuschung vor. "Kinder dürfen keine Frage der Leistbarkeit sein", so Musiol. Auch Sigrid Maurer, Wissenschaftssprecherin der Grünen, warnt davor, die Familienbeihilfe nicht zu erhöhen. "Ein großer Teil der Studierenden befindet sich in einer finanziell prekären Lage", sagt Maurer. Die Familienbeihilfe nicht zu erhöhen verschärfe diese Situation weiter.

Ähnlich argumentiert die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH). Auch sie macht auf die finanziell schwierige Lage von Studierenden aufmerksam. "Jetzt müssen Studierende für das gefundene Budgetloch und die Hypo zahlen", sagen die Studentenvertreter. Die ÖH fordert neben der Erhöhung der Familienbeihilfe auch eine Reformierung des Beihilfensystems.

Auch die Bundesjugendvertretung ist über das gebrochene Versprechen der Regierung verärgert. "Die Anpassung, die ohnehin schon Jahre zu spät kommt, wird jetzt wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Junge Menschen werden durch diese Kehrtwendung völlig vor den Kopf gestoßen", kritisiert Johanna Tradinik, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung. 

Familienverband: "Beschämend"

Für den Familienverband ist die Sparmaßnahme der Regierung ein "beschämendes Armutszeichen für die Politik". Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbands, kritisiert, dass der Sparstift als Erstes bei den Familien angesetzt werde. "Familien sind keine Bittsteller, sie sind Leistungsträger. Diese jahrzehntelange Nichtanpassung zu ignorieren und fortzuschreiben ist eine Ignoranz sondergleichen." Trendl kritisiert die Prioritätensetzung der Regierung. Es werde trotz der budgetären Situation "nahezu stillschweigend" zur Kenntnis genommen, dass der Zuschuss zu den Pensionen jährlich in Milliardenhöhe steige und sich beim Pensionsantrittsalter de facto gar nichts bewege. Auch die Milliarden für die Bankenrettung seien selbstverständlich. "Das ist ein absolut falscher und widersinniger Ansatz."

Auch der Familienbund ist empört. "Auf Kosten der Familien Budgetlöcher stopfen zu wollen kann einfach nicht sein. Familien müssen entlastet werden. Familien erhalten durch den Werteverlust jedes Jahr weniger Geld", sagt Präsident Bernhard Baier. (burg, mte, lai, derStandard.at, 14.11.2013)