Natürlich wäre ein markanter, weithin sichtbarer Solitärbau für das Wien-Museum, das "Universalmuseum" der Hauptstadt, verlockend gewesen. Was ein gelungenes Gebäude imagemäßig zu bewirken vermag, beweist allein schon die Hauptbücherei am Gürtel.

Doch beim Hauptbahnhof, eingekesselt von Bürotürmen, die gegenwärtig in erstaunlichem Tempo hochgezogen werden, würde sich das Museum kaum behaupten können. Da hätte man schon viel eher in die strategische Entwicklung des Areals eingreifen müssen. Zudem soll ein Wien-Museum nicht nur Touristen die Stadtgeschichte nahebringen: Es hat als Identifikationsort allen Wiener Bürgern offenzustehen. Dafür ist ein im Wortsinn zentraler Standort vonnöten - eben der Karlsplatz.

Der Wiener Kulturstadtrat brauchte viele Jahre, um zu dieser Einsicht zu gelangen. Man könnte nun über seine Entscheidungsschwäche lästern; aber man kann auch von einem späten Sieg der Vernunft sprechen. Das Argument, nach dem ein Erweiterungsbau billiger sei als ein Neubau beim Hauptbahnhof, wird sich allerdings nicht bewahrheiten. Denn wenn es wirklich irgendwann zu Baumaßnahmen kommen sollte (der Architekturwettbewerb wird ja frühestens 2015 ausgelobt), dann muss es um den ganzen Karlsplatz gehen. Das Wien-Museum bietet die Chance für eine Neugestaltung. Damit man endlich von einem Platz sprechen kann - und nicht länger von einer Stadtautobahn. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 14.11.2013)