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"Freund Israels": Frankreichs Außenminister Laurent Fabius (re.) beim israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres Ende August. Demnächst folgt Präsident François Hollande.

Foto: Reuters/Zuvulun

Das überraschte selbst viele Franzosen. Die Gründe sind nicht nur außenpolitischer, sondern auch wirtschaftlicher und psychologischer Natur.

Die Meinungen über die französische Haltung in den Genfer Atomverhandlungen gehen ziemlich weit auseinander. "Vive la France", twitterten die zwei republikanischen US-Senatoren John McCain und Lindsay Graham, denen Washingtons Iran-Politik zu lasch ist. Umgekehrt kommentieren erboste Iraner auf der Facebook-Seite des französischen Außenministers Laurent Fabius, er sei der "Esel der Israeli" . Westliche Diplomaten unterstellen dem gewieften Politiker und seinem Land ihrerseits eine "Profilneurose" . Und sogar in Paris wundert sich das Internetportal Rue89, Frankreich fahre "einen härteren Kurs als die USA" .

Vorbei die Zeiten, als Frankreich im Nahen und Mittleren Osten eine "politique arabe"  betrieb, wie man die proarabische und propalästinensische Politik der Pariser Diplomatie seit den Zeiten Charles de Gaulles nennt. Heute sei Paris mit einem Mal und mehr noch als Washington auf der Seite Israels und Saudi-Arabiens, schreibt – und kritisiert – die kommunistische Zeitung Humanité.

Um eine abrupte Kehrtwende handelt es sich allerdings nicht. Schon Präsident Jacques Chirac hatte die eher prosyrische und proiranische Politik Frankreichs revidiert, als der libanesische Premier Rafik Hariri – ein persönlicher Freund – 2005 ermordet wurde. Ab 2007 bezeichnete sich Nachfolger Nicolas Sarkozy wie auch sein Chefdiplomat Bernard Kouchner offen als "Freund Israels" .

Mit der Wahl von François Hollande 2012 glaubten viele an eine Rückkehr einer gaullistisch-Mitterrand'schen Doktrin. Sie sehen sich getäuscht. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird den französischen Präsidenten in einer Woche ausdrücklich als "Freund Israels"  empfangen. Am Montag wurde auf Internetforen einzig die Frage diskutiert, ob der außenpolitisch unerfahrene Staatspräsident aus Überzeugung so handle oder einfach Fabius folge, der aus seinem tiefen Misstrauen gegenüber Teheran kein Hehl macht und stets das "legitime Sicherheitsbedürfnis Israels"  hervorhebt.

Die saudische Karte

Hollande sucht sich aber auch mit dem iranischen Rivalen Saudi-Arabien gutzustellen. Anders als sein Vorgänger Sarkozy, der sich dem Emirat Katar angenähert hatte, setzt Hollande voll auf die saudische Karte. Das hat für den krisengeplagten Präsidenten vor allem wirtschaftliche Gründe: Bei seinem Besuch Anfang November in Riad ging es um milliardenschwere Aufträge für französische Firmen, unter anderem im Bereich Kernkraft.

Dies erklärt paradoxerweise auch, warum das Atomland Frankreich so vehement gegen die iranischen Nuklearpläne auftritt. Die Verwendung ziviler Technologie zu militärischen Zwecken ist für Paris ein rotes Tuch: Die ambivalente Haltung Teherans in dieser Frage relativiert die französischen Beteuerungen, die Lieferungen ziviler Atomanlagen an Länder wie Türkei, Ägypten oder Saudi-Arabien dienten einzig friedlichen Zwecken.

Dass der französische Präsident derzeit gar nicht gut auf Teheran zu sprechen ist, mag indirekt auch mit seiner Blamage im Fall Syrien zusammenhängen. Innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand, sucht Hollande sein Heil seit längerem in "starken"  außenpolitischen Auftritten wie etwa beim Truppeneinsatz in Mali. So war es auch bei seinem Vorschlag, nach dem Chemiewaffeneinsatz in Syrien einen Militärschlag gegen das Assad-Regime zu lancieren. Dass US-Präsident Barack Obama diese Pläne durchkreuzte, verzeiht ihm Hollande bis heute nicht. Fabius' "Non"  in Genf war zu einem Teil auch eine Trotzreaktion, welche die französische Unabhängigkeit unter Beweis stellen soll – auf die Gefahr hin, einen Atomdeal mit dem Iran zu hintertreiben. (Stefan Brändle aus Paris /DER STANDARD, 12.11.2013)