Anders Levermann (40) vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung ist einer der Leitautoren des UNO-Reports zum Klimawandel.

Foto: Klemens Karkow

Standard: Viele sind schockiert über die Zerstörungskraft des Taifuns Haiyan, der über die Philippinen hinweggezogen ist. Eine Folge des Klimawandels?

Levermann: Kein einziges Extremereignis lässt sich direkt auf den Klimawandel zurückführen. Physikalische Gesetze etwa aus der Thermodynamik lassen aber den Schluss zu, dass sich in einer wärmer werdenden Welt Extremereignisse häufen.

Standard: Lassen sich Ereignisse dieser Art statistisch vorhersagen?

Levermann: Ja. Kerry Emanuel vom MIT in Boston hat gezeigt, dass Hurrikane und Taifune bei einer sich erwärmenden Wasseroberfläche mehr Energie zur Verfügung haben, in der Gesamtheit werden die Hurrikane stärker, wenn die Temperatur steigt.

Standard: Die Staatengemeinschaft hat sich bei der Weltklimakonferenz 2010 in Cancún erstmals darauf verständigt, die globale Erwärmung auf zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen? Wie wahrscheinlich ist das Erreichen dieses Ziels bis 2100?

Levermann: Die bisher diskutierten Maßnahmen sind in keiner Weise ausreichend; ohne Kraftanstrengung marschieren wir in Richtung drei oder gar vier Grad plus.

Standard: In Warschau sitzen Vertreter von 192 Staaten zusammen, um ein verbindliches Weltklimaabkommen vorzubereiten. Es wäre schon ein Erfolg, wenn man sich auf einen Zeitplan einigen könnte. Ist das nicht ein Armutszeugnis?

Levermann: Es gibt große wirtschaftliche Interessen, die mit der Umstrukturierung der Energieversorgung einhergehen. Entscheidend ist, dass sich etwas bewegt.

Standard: Inwieweit sind Konferenzen das geeignete Mittel, den Klimawandel zu stoppen?

Levermann: Klimawandel ist ein globales Problem, ein Land allein kann am Gesamtausstoß wenig ändern. Deswegen ist eine internationale Verständigung nötig. Die Welt schaut auch gespannt auf die Energiewende in Deutschland - ein Indikator, ob man in einem Industrieland die Energieversorgung auf Erneuerbare umstellen kann. Das wäre dann auch interessant für große Länder wie China.

Standard: Die Finanzkrise hat gezeigt, wozu die Staatengemeinschaft fähig ist, wenn es hart auf hart geht?

Levermann: Wenige haben bisher realisiert, welche Kosten mit den Schäden des Klimawandels verbunden sein werden. Sonst würde man vermutlich anders agieren. (Günther Strobl, DER STANDARD, 12.11.2013)