Im Herbst sieht alles gleich noch trister aus, trotz der Sonne, die manchmal kurz durchkommt. Nicht einmal die Graffitis bringen Farbe ins Leben, der Donaukanal fließt trübe und die wenigen Spaziergänger geben, während ich müde einen Laufschuh nach dem anderen vom Asphalt hebe, ein eigenartiges Bild ab. Da gehen zwei Erwachsene, der eine beim anderen eingehakt, immerhin gemeinsam und unterhalten sich, der Jahreszeit entsprechend nicht zu übermütig, aber doch miteinander. Und in respektablem Abstand von vier, fünf Schritten schlurft dahinter das Kind, sichtlich fadisiert - und ganz alleine.
Schon wieder, denke ich. So sieht man das oft da draußen in der Gesellschaft: Zwei Eltern und ein Kind. Sicher eine gute Sache. Die ganze Aufmerksamkeit, Fürsorge und Liebe von zwei Menschen für ein Einzelkind. Aber da unten am Donaukanal denke ich mir schon auch kurz: Zwei gegen eins. So sieht das aus. Aber es geht gar nicht um „für" und „gegen", sondern darum, dass auf der Elternseite zwei sind und auf Kinderseite nur eines.
Vielleicht kursiert deshalb nach wie vor dieses Idealbild von der Familie: Vater, Mutter und zwei Kinder. Immerhin haben sich die Kinder dann auch. Immer öfter aber gehen unsere Leben andere Wege und es kommt zu ganz anderen Konstellationen. Stellen Sie sich vor: Sie sind ein Einzelkind und haben nicht nur zwei Eltern, sondern plötzlich vier. Ich weiß schon, nur zwei sind und bleiben die Eltern. Haben aber getrennte Eltern wieder neue Lebensgefährten, dann reden zumindest jetzt vier Leute mit: Beim Kinderzimmer aufräumen, Esstisch abräumen oder Hausübung machen.
Und solche - nennen wir sie hier „Vier-Eltern-Kinder" - pendeln, zum Beispiel von Woche zu Woche, auch zwischen zwei Paaren, die beim anderen eingehakt, quasi gemeinsam durchs Leben gehen. Das stelle ich mir auch nicht so einfach vor. Denn das bedeutet mitunter auch, dass man sich nicht nur auf zwei Leute einstellen muss, sondern auf vier verschiedene. Wollen und sollen Kinder weiter ihren Alltag mit beiden Eltern verbringen, gibt es dazu keine Alternative. Das alles denke ich, und lasse weiter ein bisschen trübes Wasser den Donaukanal hinunterfließen. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 10.11.2013)