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Eine Vielzahl an Aufgaben wartet auf Neo-Stadtchef Klaus Luger. Die Linzer Hauptprobleme liegen vor allem im Finanzbereich.

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STANDARD: Herr Luger, Sie sind am Donnerstag erst im dritten Anlauf vom Gemeinderat zum neuen Bürgermeister von Linz gewählt worden. Spricht das von mangelndem Vertrauen in Ihre Person?

Luger: Meine Eitelkeit ist enden wollend, wenn es darum geht, ob ich im ersten oder dritten Wahlgang gewählt werde. Ich habe auch im Vorfeld mit keiner Partei darüber verhandelt, ob ich als Person gewählt werde. Durch die Bürgermeisterdirektwahl haben sich die Bedingungen zu früher komplett verändert. Eigentlich ist es keinem politischen Mitbewerber zumutbar, mich im November 2013 zu wählen und dann Ende September 2015 bei den eigentlichen Wahlen gegen mich als Bürgermeisterkandidat in den Ring zu steigen. Und es ist ja nach menschlichem Ermessen davon auszugehen, dass die Chefs von ÖVP, FPÖ und den Grünen antreten werden. Daher war die Wahrscheinlichkeit, dass mich am Donnerstag einer aus den anderen Parteien mitwählen würde, sehr gering.

STANDARD: Wird es nach einem holprigen Start aber nicht schwierig zu regieren?

Luger: Nein, das war ein ganz normaler Start und möglicherweise für die politische Entwicklung in Linz gar nicht so schlecht, denn jetzt ist der Weg der Zusammenarbeit wieder leichter zu beschreiten, weil ich niemandem verpflichtet bin, es keine Pakte gibt, keine Nebenabsprachen. Vielmehr gibt es die Einladung an die anderen drei Stadtparteien, in den wesentlichen Fragen an einem Strang zu ziehen.

STANDARD: Ist das Amt des Bürgermeisters überhaupt noch attraktiv? In kleineren Gmeinden wird es immer schwieriger, Kandidaten zu finden. Verstehen Sie die Zurückhaltung?

Luger: Nein überhaupt nicht. Was mich persönlich betrifft, ist es wirklich ein Traumberuf, wenn ich das so sagen darf. Dass es objektiv schwieriger wird, hauptberuflich in die Politik zu gehen, hängt sehr viel auch mit dem österreichischen System zusammen. Wenn heute jemand aus der Politik ausscheidet und dies sogar im Guten, wird dies immer als Abstieg, als Problem empfunden. Die Möglichkeit, aus der hauptberuflichen Politik wieder auszusteigen, ist in den meisten Fällen mit Gesichtsverlsut verbunden, auch oftmals mit Medienschelte.

STANDARD: Schauen Sie sich den Abgang von der politischen Bühne des ehemaligen Finanzstadtrats Johann Mayr an. Das bestätigt ja gerade den Eindruck des Versorgungspostens. Die SPÖ wollte ihn, trotz Anklage in der Causa Swap, zum Chef der Gebietskrankenkasse machen. Diese Aktion bescherte der SPÖ einen gewaltigen Imageschaden, und das kurz vor den Nationalratswahlen.

Luger: Es ist unbestritten, dass dies für die SPÖ Oberösterreich eine schwierige Situation war, für die sich SPÖ-Chef Josef Ackerl und Bürgermeister Franz Dobusch auch entschuldigt haben. Ich halte es aber auch für unbestritten, dass jemand, gegen den Anklage erhoben wird und der noch nicht rechtskräftig verurteilt ist, auf seinen arbeitsrechtlich zugesicherten Posten zurückkehren kann.

STANDARD: Hätte Herr Mayr nicht so sehr an seinem Stadtratssessel geklebt, sondern rechtzeitig entsprechende Konsequenzen aus dem Swap-Geschäft gezogen, wäre es erst gar nicht so weit gekommen. Sind Österreichs Politiker nicht Sesselkleber?

Luger: Das streite ich nicht ab. Die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland ist, was die politische Verantwortung betrifft, vorbildlich, weil es eben leichter ist, aus seinem Job herauszugehen und man nicht den Rest seines Lebens punziert ist. Wenn man aber weiß, dass man wenig Möglichkeiten außerhalb des politischen Systems hat, anerkannt zu werden, wieder Fuß zu fassen, wird man umso mehr am alten System hängen. Die Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen, hängt unweigerlich damit zusammen, dass man leichter auch wieder aus dem System herausgehen kann. Daher hat unser System mittel- oder langfristig das Problem, gut ausgebildete, qualifizierte Leute in die Politik zu bekommen.

STANDARD: Sie haben sich entschieden, voll in dieses System einzutauchen. Das jedoch zu einer Zeit, in der es um Linz alles andere als rosig aussieht.

Luger: Meine Ausgangsbedingungen sind relativ charmant, dass sie vor zehn Jahren eine Spur charmanter gewesen wären als heute, will ich gar nicht abstreiten. Aber ich habe mir nie überlegt, dass ich jetzt nicht möchte, es ist halt so. Mir war relativ klar, dass ich mich, wenn Franz Dobusch zurücktritt, als Nachfolger in der SPÖ bewerben werde, das habe ich in den letzten Jahren auch immer wieder gesagt. Die Probleme im Finanzbereich liegen auf dem Tisch, die braucht man auch gar nicht zu beschönigen. Aber ich dramatisiere sie auch nicht, weil man klar trennen muss zwischen den strukturellen Problemen, die wir im Budget haben. Und auf der anderen Seite der Swap, der nach wie vor wie ein Damoklesschwert über der Stadt schwebt.

STANDARD: Dennoch: Die Finanzlage der Stadt ist so angespannt wie noch nie.

Luger: Dass Linz seinen Haushalt seit zwei Jahren nicht mehr ausgleichen kann, hat zwei Ursachen: Die erste ist hausgemacht, die zweite extern. Wir haben in den letzten zwanzig Jahren enorm investiert: allein 500 Millionen Euro in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, in den Sozialbereich und in die kulturelle Infrastruktur. Dies haben, bis auf ganz, ganz wenige Punkte, alle gemeinsam im Gemeinderat beschlossen. Alleine die damit verbundenen Rückzahlungen der Verbindlichkeiten, der Kredite, wären nicht das Problem. Aber jetzt kommt noch der zweite, externe Faktor hinzu, unsere Transferzahlungen an das Land. Diese haben sich in den letzten acht Jahren verdoppelt. So haben wir heute mit dem Bedienen der Verbindlichkeiten größere Schwierigkeiten. Wenn wir das, was wir vor 15 Jahren an das Land zurückgezahlt haben, von mir aus auch valorisiert, auch heute nur zahlen müssten, hätten wir jedes Jahr in der laufenden Gebarung einen Überschuss, bis zum heutigen Tag. Jetzt bin ich Realpolitiker und weiß, dass ich diese externen Faktoren bis zur Landtagswahl 2015 nicht ändern kann. Daher kann ich eigentlich nur an der Schraube im eigenen Wirkungsbereich drehen, wenn ich die Finanzsituation wieder ins Lot bringen möchte. Und deswegen wird es in Linz Sparbudgets geben müssen.

STANDARD: Sie haben als neuer Bürgermeister auch das Swap-Debakel samt Gerichtsverfahren gegen die Bawag geerbt. Wie sehen Sie die Position der Stadt?

Luger: Es geht vor allem darum, dass wir uns nicht einzementieren. Es kann ein Vergleich mit der Bawag das Beste für die Stadt sein, dann wird man ihn auch anstreben. Es kann aber auch sein, das ein Prozess samt Urteil vernünftiger ist. Ich weiß aus derzeitiger Sicht nicht, warum ein Vergleich so anstrebenswert ist. Gegen die Bawag wird derzeit wegen Betrugs ermittelt.

STANDARD: Haben Sie einen Plan für den Fall des Worst Case und wenn die Stadt tatsächlich 500 Millionen Euro zahlen muss?

Luger: Das wäre ein Crash, der auch die Vermögensverhältnisse der Stadt massiv verändern würde, da wir Vermögen veräußern müssten. Den Bau der zweiten Straßenbahnachse durch Linz zu finanzieren wäre auch ein echtes Problem, das darf man auch nicht kleinreden.

STANDARD: Die SPÖ musste bei der Nationalratswahl eine erneute Niederlage einstecken, woran krankt es in Ihrer Partei?

Luger: Die SPÖ hat mit der Bewältigung des gesellschaftlichen Wandels ihre Schwierigkeiten. Das ist für die Sozialdemokratie ein veritables Problem. Vieles, wofür die Sozialdemokratie angetreten ist in den 60er-Jahren, ist heute Realität, ist erreicht. Das ist im Sozialbereich, in den Grundversorgungssystemen und letztlich auch im Bildungsbereich so. Aber es reicht eben nicht aus, wenn die SPÖ nur der Schutzpatron ist. Es herrscht in der SPÖ wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad heute eine inhaltliche Leere, weil wir für Fragen, die die Menschen bewegen, anscheinend nicht die befriedigenden Antworten haben. (Kerstin Scheller und Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 8.11.2013)