Harley-Davidson erschließt kleine Kubaturen, Honda füllt die Lücken und KTM stellt sich breiter auf. Ein bescheidner Überblick

In Österreich legte bis September 2013 der Motorradmarkt über 125 Kubik mit einem Plus von 8,6 Prozent deutlich zu – das bisherige Zugpferd, das 125er-Segment, um 1,7 Prozent. 2014 könnte ebenfalls ein gutes Jahr werden. Denn nach Jahren, wo aufregende Neuerungen am Zweiradmarkt so selten waren wie Strafzettel, über die man sich freut, erweitern die namhaftesten Hersteller ihr Portfolio mit einerseits schönen und mutigen, andererseits auch faden und wirklich hässlichen Neuerscheinungen. Mit dem Erfolg, dass jeder sein Motorrad findet. Der Einedrahrer wie der Vernünftige.

Für überraschte Blicke sorgte etwa Harley-Davidson, als sie Anfang dieser Woche, auf der EICMA, ihre neuen Modelle vorstellten. Nicht noch größere, noch schwerere Cruiser erweitern das Angebot aus Milwaukee, sondern Cruiser mit 500 und 750 Kubikzentimeter – wovon in Europa aber nur die „Siemahoiba" im Herbst 2014 auf den Markt kommt.

Harley-Davidson

Mit der Street 750 möchte Harley seine Kundengruppe auffrischen und natürlich auch erweitern. Ob das gelingt, wird wohl nicht zuletzt vom Preis  abhängen. Das Kultpotential hat sich das zierliche Schwermetall aber erhalten, wie bereits die ersten Custom-Bikes zeigen.

Ach, es darf ein wenig größer sein, muss nicht kultig, dafür aber kommod sein – vielleicht mit Doppelkupplungsgetriebe? Dann ist die Honda CTX 1300 ihre Maschine. Ein Motorrad gewordener Meister Jo­da, mit fürchterlich abstehenden Ohren und unförmigem Kopf, Kategorie Reisetourer. Der V4-Motor aus der Pan-European wurde auf 84 PS heruntergebuchst. Rennmaschine wird die CTX mit ihren fast 340 Kilogramm vollgetankt folglich nicht sein.

Honda baut 650er und 750er

Mehr Geschick für den europäischen Markt zeigt Honda mit den neuen 650er-Modellen (CB650F und CBR650F), die nun die 700er-Palette nach unten erweitert. Dafür wachsen Integra, NC700X und NC700S zu 750ern.

Yamaha schießt den Vogel ab

In der Mittelklasse schießt aber eindeutig Yamaha den Vogel ab. Nachdem sie im Herbst mit der MT09 eine traumhafte Naked mit herrlichem neuen Dreizylinder-Motor präsentiert haben – man verzeihe bitte die Schwärmerei, die so subjektiv gar nicht ist, wie sich liest – stellen sie dieser Maschine mit der MT07 schon eine kleine Schwester zur Seite.

Mit 75 PS aus einem Parallel­twin, mit 179 Kilogramm vollgetankt, und um voraussichtlich rund 5500 Euro wird die MT07 nicht nur in der Mittelklasse, sondern auch im Segment der Maxi-Scooter gehörig aufmischen.

BMW bringt neue RT und nackte 1000er

BMW fürchtet sich trotzdem nicht und feiert wohl weiterhin Monat für Monat die besten Verkaufszahlen von überhaupt. Die Bayern bringen die neue R 1200 RT, die nun auch von dem wassergekühlten Boxer aus der GS angetrieben wird und mit mehr Wind- und Wetterschutz für die Langstrecke ausgerichtet ist.

Gleichzeitig reißen sie der Supersport-Tausender nicht nur die Verkleidung, sondern auch ein paar Pferde runter und stellen die 160 PS starke S 1000 R vor.

Kawasaki zeigt neue Z1000

Martialischer schaut im Vergleich dazu die neue Z1000 von Kawasaki aus, die mit 140 PS an den Start geht.

Lang ersehnt ist die 1290 Super Duke R von KTM, die ihre Premiere in Italien feiert und schon Ende des Jahres bei den Händlern stehen soll. Und die Mattighofner beleben auch das todgesagte Supersport-Segement wieder. Nicht mit einer Tausender, sondern mit der RC 390, die mit 44 PS vor allem junge Einsteiger ansprechen soll.

Alternative Antriebe

Bleibt noch die Frage: Was tut sich bei den alternativen Antrieben? Viel. Es gibt eine Unzahl von Fernost-Elektro-Herstellern, deren Stände menschenleer sind. Revolutionäre Ideen sieht man dort nicht. Vorreiter in dem Segment ist wieder einmal BMW  mit dem E-Roller c-Evolution. Ernst­zunehmen ist auch der VT1 von Vectrix. Die Schweizer arbeiten mit drei Akkupacks, die man einzeln zum Laden entnehmen kann. Reichweite: rund 100 Kilometer. (Guido Gluschitsch, DER STANDARD, 8.11.2013)

So sieht sie aus, die neue kleine Harley Street. Zielgruppe sind klar die jungen Menschen aus der Stadt. 750 und 500 Kubikzentimeter hat Hubraum hat die Street. Wobei die 500er vermutlich nur in Asien auf den Markt kommt. Aber auch für unsereins ist eine 750er-Murl ziemlich zierlich in einer fetten Harley.

Foto: Guido Gluschitsch

Harley will aber nichts vom bösen Image einbüßen und stellte daher diversen Customizern schon vorab die Street hin, damit sie sich daran austoben.

Foto: Guido Gluschitsch

Das hat ganz gut funktioniert. Bleibt nur noch eine Frage offen: Ja wie klingt denn eine Harley mit einem so kleinem Motor? Obwohl auch der Auspuff ist vermutlich schnell ausgeräumt und aufgebohrt. Oder gekürzt, wie dieser.

Foto: Guido Gluschitsch

Ein anderer hat das Endrohr gleich bandagiert. Auch recht. Gemeinsam mit dem Achselföhn-Lenker schaut sie monstermäßig böse aus.

Foto: Guido Gluschitsch

Apropos, ja, Ducati bringt die neue Monster 1200. In ihr werkt der Testastretta-Motor der 1198, heruntergebuchst auf 135 PS. In der Monster S leistet er 145 PS.

Foto: Guido Gluschitsch

Sie ist weiterhin klar als Monster zu erkennen, hat nun aber ABS und eine Traktionskontrolle sowie drei Fahrmodi, aus denen man wählen kann.

Foto: Guido Gluschitsch

Feinste Supersport-Ware, direkt aus Borgo Panigale, gibt es in Mailand auch: Die 1199 Superleggera. Das heißt, mehr als 200 PS treffen auf 166 Kilogramm Motorrad. Die werden wir aber weniger oft sehen als die erschwinglichere Ducati 899 Panigale die nächstes Jahr auf den Markt kommt.

Foto: Guido Gluschitsch

Auch eher selten wird der Vierradler namens Quadro bleiben. Obwohl: Lustiges Konzept, den MP3 auf vier Räder zu stellen. Und nein, keine Sorge, der purzelt nicht in der ersten Kurve gleich um, sondern die Aufhängung erlaubt Schräglagen, wie wir es von MP3 oder Fuoco kennen.

Foto: Guido Gluschitsch

Auch Yamaha bringt nächstes Jahr so einen Dreiradler. 125 Kubikzentimeter wird er haben, und ausgesprochen günstig wird er sein, verspricht Yamaha-Motorrad-Österreich-Chef Hans Zimmermann, auch wenn er den genauen Preis noch nicht bekannt gibt. Aber wenn wir von einem Kampfpreis um die 3.000 Euro ausgehen, dann konkurriert der Tricity direkt mit den zweirädrigen 125er-Rollern.

Foto: Guido Gluschitsch

Den Vogel schießt Yamaha aber mit der MT07 ab. Die kleine Schwester der eben erst vorgestellten MT09 kommt mit einem Paralleltwin und 180er-Hinterpatschen. Wenn die in die Fußstapfen der Dreizylinder-MT tritt, dann kann das nur ein Spaß sein. Feine Ware von Yamaha ist auch die SR 400, ein Scrambler mit 400 Kubikzentimeter Einzylinder.

Foto: Guido Gluschitsch

Einen anderen Scrambler hat jemand für die EICMA übrigens ganz schön zerrissen.

Foto: Guido Gluschitsch

Verrissen hingegen wird von der Fachpresse - zumindest hinter vorgehalterner Hand - das Design der Honda CTX 1300. Für den Cruiser hat Honda den V4-Motor aus der Pan European hergenommen und ihm ordentlich die Leistung gestutzt.

Foto: Guido Gluschitsch

Dafür hat sie Kardanantrieb, Doppelkupplungsgetriebe und ein fettes Radio. Autobahnkilometer frisst sie also sicher schon Frühstück ganz problemlos.

Foto: Guido Gluschitsch

Mit der CBR650F wird man hierzulande aber wohl mehr Freude haben. Noch dazu, weil es das Vierzylinder-Bike, wie auch die nackte Schwester CB650F, auch in einer 35 kW-Version geben wird. Ungedrosselt leistet der Motor 87 PS.

 

Foto: Guido Gluschitsch

Zudem neu im Honda-Programm: es kommt eine neue Fireblade, der Integra und die NC-Modelle werden jetzt 750er, und eine neue VFR bringt Honda 2014 auch.

Foto: Guido Gluschitsch

2014 ist es auch wieder Zeit für die GS-Trophy, die dann in Kanada ausgetragen wird. Das Motorrad zur Trophy, die GS auf Basis der Adventure, stellte BMW schon einmal aus.

Foto: Guido Gluschitsch

Der Knüller von BMW ist aber sicher die lang ersehnte S1000R, die Naked-Version der Supersportlerin S1000RR. 160 PS wird sie haben und eine typisch ungewöhnliche Optik.

Foto: Guido Gluschitsch

Ein bisserl anders ist auch, was ein Tuner mit dieser MV Agusta gemacht hat, die nach der Schönheits-OP regelrecht hölzern wirkt.

Aber zurück zu BMW:

Foto: Guido Gluschitsch

Die bringen nämlich die komplett neue R 1200 RT - mit noch besserem Windschutz und angeblich verdammt agil. Außerdem stand auf der Messe natürlich auch die BMW R nineT.

Foto: Guido Gluschitsch

Triumph zeigt die neue Thunderbird - sowohl als Commander als auch als LT, die America, und die Speedmaster, ein Sport-Cruiser mit einem 865 Kubikzentimeter großen Paralleltwin.

Foto: Guido Gluschitsch

Eine Nummer kleiner gibt sich xo2 mit dem 8.0 und dem 4.0. Bis zu 120 km/h schnell wird der Faltroller...

Foto: Guido Gluschitsch

... wenn man ihn erst einmal aufgebaut hat. Reichweite des E-Scooters: 85 Kilometer bei 90 km/h, aufgeladen ist er mit einer Schnellladung in unter eineinhalb Stunden.

Foto: Guido Gluschitsch

Dann schafft er den 100-Meter-Sprint in sechs Sekunden. Zum Spazierentragen ist der Roller aber zu schwer. Er braucht einfach nur weniger Platz, wenn man ihn zusammengeklappt hat. Mehr ist nicht dahinter.

Foto: Guido Gluschitsch

Da ist die Idee von Vecrtix schon besser: Den Roller stehen zu lassen, die bis zu drei Akkupacks mitnehmen und die dann laden wo immer man Strom hat. Mit einem Akkupack kommt man rund 30 Kilometer weit - und das sind nicht die geschönten Maximal-Reichweite-Daten, sondern die Praxiswerte.

Foto: Guido Gluschitsch

In den Rollermarkt steigt auch Kawasaki ein und bedient sich dafür bei Kymco. Fesch ist er schon, typisch Kawa halt, aggressiv und grün.

Foto: Guido Gluschitsch

Noch martialischer ist aber die neue Z1000. 142 PS und 111 Newtonmeter versprechen die technischen Daten vorab.

Foto: Guido Gluschitsch

Damit stellt sich Kawasaki im Segment der 1000er-Nakeds neu auf, und wird neben dem Design wohl auch den Preis mit in die Schlacht werfen.

Foto: Guido Gluschitsch

Der Preis wird bei der KTM Super Duke R wohl nicht das Argument im Vordergrund sein. Eher die 192 PS und der brachiale Biss. Auf der EICMA ist sie jedenfalls recht umringt.

Foto: Guido Gluschitsch

Ein bisserl luftiger ist es da um die RC-Modelle, die 390, die 200 und die 125, die eine eigenwillige Lichtmaske tragen. 44 PS leistet die 390er mit dem Motor aus der 390er Duke. Die leistbare Supersportlerin aus Mattighofen könnte der 400er-Klasse wieder Leben einhauchen.

Foto: Guido Gluschitsch

Frühling feiert Vespa auf der EICMA, mit der neuen Primavera. Eyecatcher ist aber dann doch die 946er.

Foto: Guido Gluschitsch

Und auch Suzuki ist natürlich nach Mailand gekommen, mit der neuen V-Strom.

Foto: Guido Gluschitsch

Die Suzuki hat ebenfalls eine Gegenspielerin aus Mattighofen: die 1190 Adventure. Ein eher unfairer Kampf wäre das, würde man die beiden direkt gegeneinander antreten lassen.

Foto: Guido Gluschitsch

Da widmen wir uns zum Abschluss doch lieber dieser schwarzen Schönheit, die ein Tuner mit drei güldernen Buchstaben verziert hat und die uns gleich wieder in Kindheitserinnerungen schwelgen lässt. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 7.11.2013)

Die EICMA hat noch bis zum 10. November ihre Pforten geöffnet. Detaillierte Berichte zu den neuen Motorrädern, die 2014 zu den Händlern kommen, finden Sie in den nächsten Wochen auf derStandard.at/Motorrad.

Foto: Guido Gluschitsch