Bild nicht mehr verfügbar.

Geht es nach den Kritikern, geben die Deutschen zu wenig Geld aus.

Foto: reuters/bimmer

Quasi die halbe Welt kritisiert Deutschland wegen seiner großen Leistungsbilanzüberschüsse, also weil Deutschland viel mehr exportiert als importiert. Dadurch kommen die Krisenländer nicht vom Fleck, niemand kauft ihnen ihre Produkte ab, sagen die einen. Stimmt nicht, sagen die Deutschen. Wir verkaufen hochwertige Güter, deshalb bringen wir so viel an den Mann, und blöd wären wir, wenn wir das aufgeben würden. In der Debatte finden drei Punkte zu wenig Beachtung.

Leistungsbilanz ist kein Maß für Wettbewerbsfähigkeit

Die USA haben seit langem eine negative Leistungsbilanz und sind gleichzeitig eines der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt. Die Amerikaner kaufen schlicht noch mehr vom Ausland, als sie dorthin verkaufen. Was die deutsche Leistungsbilanz ins Plus bringt, sind die geringen Ausgaben, also der niedrige Konsum und die geringen Investitionen. Die Leistungsbilanz eines Landes zeigt lediglich das Verhältnis von Ersparnissen und Investitionen. Sind die Ersten höher als die Letzteren, dann ist die Bilanz im Plus, so wie in Deutschland.

Das macht ein Land aber noch lange nicht wettbewerbsfähig, man könnte es auch ganz anders sehen. Das Gegenüber der Leistungsbilanz ist die Kapitalbilanz. Findet Geld in einem Land wie Deutschland keine Anlagemöglichkeit, fließt es eben über die aus den Ersparnissen finanzierten Kredite ins Ausland. Genau das ist auch in Deutschland passiert, so wurden etwa die Immobilienbooms in Spanien oder Irland mitfinanziert. Aufstrebende Schwellenländer haben außerdem traditionell negative Leistungsbilanzen. Ausländische Investoren sehen dort profitable Anlagemöglichkeiten. Aus Deutschland fließt hingegen Geld ab.

An der geringen Nachfrage ist auch Deutschland schuld

Betrachtet man die Eurozone als eine Volkswirtschaft, dann produziert sie derzeit viel weniger, als sie eigentlich könnte. Im Volkswirtschaftsjargon spricht man davon, dass sie "unter Potenzial agiert". Unter Ökonomen herrscht kaum Zweifel daran, dass das wegen der niedrigen Nachfrage so ist. Der Staat spart, weil er sich vor den Anlegern fürchtet, und Haushalte und Unternehmen sparen, weil sie sich vor der Zukunft fürchten. Wird weniger ausgegeben, wird auch weniger produziert.

Das deutsche Leistungsbilanzplus resultiert, wie bereits erwähnt, auch aus niedrigem Konsum. Die Löhne sind wenn, dann nur sehr moderat gestiegen. Die Unternehmen investieren im internationalen Vergleich relativ wenig, und auch der Staat schaut auf jeden Groschen. Unter Ökonomen herrscht quasi Einigkeit, dass Länder in solch einer Situation das Gegenteil machen sollten, also die Nachfrage erhöhen.

Portugal und Spanien haben etwa ihre Exporte zwischen 2008 und 2012 deutlich ausgebaut, gegenüber der Welt um 13 bzw. neun Prozent. Ihre Exporte in die Eurozone sind hingegen gesunken. Da ist sie wieder, die fehlende Nachfrage.

Deutsche Importe werden Krise nicht lösen

Bei all der berechtigten Kritik steht eines fest: Die entscheidenden Fragen der Krise liegen anderswo. Nachfrage aus Deutschland könnte helfen, aber das ist nur ein kleiner Punkt am Rande. Griechenland etwa helfen auch deutsche Importe nichts, es sei denn, es findet sich ein Weg, aus Oliven Bier herzustellen. Spanien muss seinen Arbeitsmarkt weiter verbessern und viel, viel mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Genauso wichtig ist, was in Brüssel passiert.

Es sieht derzeit so aus, als hätte sich Europa dazu entschieden, so weiterzuwurschteln wie bisher. Eine Währungsunion ist ohne entsprechendes politisches Begleitkonzert nicht unmöglich, es macht die Dinge aber unendlich schwieriger. Ohne eigene Währung ist eine Anpassung nur langsam möglich und eine große Belastung für die Bevölkerung. Ohne Koordinierung der Wirtschaftspolitik der verschiedenen Länder ist die nächste Krise nicht weit entfernt.

Aber Politik ist nun einmal so, wie sie ist. Aus tausenden verschiedenen Interessen findet sich ein Kompromiss. Der ist selten ideal, aber daran lässt sich nichts ändern. (Andreas Sator, derStandard.at, 6.11.2013)