Bild nicht mehr verfügbar.

Das Pendant zur Zeit, die alle Wunden heilt: "Bis du heiratest, ist alles wieder gut".

"Die Zeit heilt alle Wunden" - Der französische Philosoph und Historiker Voltaire hat diesen Spruch im 18. Jahrhundert getätigt und damit nur bedingt Recht.

Tatsächlich spielt Zeit bei jeder physischen Verletzung eine wichtige Rolle, denn Wundheilung ist ein Prozess, der unabhängig von der Art der Verletzung immer auch einem zeitlichen Muster folgt: Egal, ob oberflächliche Schürfwunde oder tiefe Bissverletzung - in den ersten Minuten bis Stunden ist der menschliche Organismus vor allem damit beschäftigt den Schaden möglichst klein zu halten. Um so den Blutverlust bei Gefäßverletzungen zu minimieren, setzt prompt die Blutgerinnung ein. - Ein Wundschorf bildet sich, damit die verletzte Region nach außen hin abgeschirmt wird.

Die zweite Phase, die bis zum vierten Tag anhalten kann, dient der Wundreinigung. Abgestorbenes Gewebe wird durch die körpereigene Abwehr beseitigt, eventuell eingedrungene Keime werden bekämpft.

Phase drei kann bis zu zehn Tage nach Verletzungseintritt dauern. Die Einsprossung von Blutgefäßen in die Wunde und Neubildung von Kollagenfasern bestimmen diese sogenannte Proliferationsphase. Die Wunde füllt sich vorläufig mit Granulationsgewebe und verkleinert sich täglich um circa ein bis zwei Millimeter von außen nach innen.

In der vierten Phase wird fleißig repariert. Das kann je nach Ausdehnung der Wunde auch schon mal Monate dauern oder eben nur wenige Tage. Die Wunde zieht sich zusammen, die kollagenen Fasern werden vernetzt und das Granulations- wird nun zu Narbengewebe. Die Epithelisierung bringt die Wundheilung dann zum krönenden Abschluss. Zellen der Epidermis wachsen von den Wundrändern ausgehend in die Wunde ein - bis diese verschlossen ist.

Diabetische Wundheilungsstörung

Reicht es demzufolge einfach abzuwarten, je nach Wunde mal etwas länger beziehungsweise kürzer? "Diese Frage lässt sich nicht mit ja oder nein beantworten, denn die Heilung von Wunden hängt von ganz vielen Co-Faktoren, wie Grunderkrankungen, Begleiterkrankung, Entstehungsursache, Alter, Alkohol- und Nikotinkonsum ab", sagt Sonja Koller, die Leiterin der Abteilung Wundmanagement Pflege am Landesklinikum Melk in Niederösterreich.

Beim Diabetiker sind Wundheilungsstörungen ein häufig sehr ausgeprägtes Problem. Langfristig führt die Erkrankung zur Schädigung der kleinen Blutgefäße und peripheren Nerven. Beides zusammen ist für die Patienten fatal. Blasenbildung oder Druckstellen auf den Füßen spüren die Betroffenen nicht und ist das Geschwür erst einmal da, dann sorgt die mangelhafte Durchblutung dafür, dass die Wundheilung nur schleppend voran geht. Hohe Zuckerwerte beeinträchtigen zusätzlich das Immunsystem - die Wundheilung ist deutlich verzögert und die Infektanfälligkeit und damit die Wahrscheinlichkeit einer Keimbesiedelung der Wunde erhöht.

Bei einer Fußverletzung auf Zeit zu setzen, funktioniert beim Diabetiker daher nicht. Um die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms und eine drohende Amputation zu verhindern, ist professionelles Wundmanagement ganz entscheidend. Nur durch die medizinische Intervention lässt sich die Heilung diabetischer Wunden voran treiben.

Defektheilung mit Narbenbildung

Dabei ist Heilung nicht immer gleich Heilung. "Wunden heilen meist mit Narben ab. Aber auch das ist eine Form von Heilung - eine Defektheilung", sagt Wundexpertin Sonja Koller. Eine Restitutio ad integrum ist nur bei oberflächlichen Wunden, welche die oberste Hautschicht betreffen, tatsächlich möglich.

"Auch seelische  Wunden heilt die Zeit nicht vollständig, beziehungsweise ohne Narben", sagt Koller. Im psychischen Bereich ist es die Verarbeitung des Erlebten, die zumindest eine Defektheilung möglich macht. Eine Restitutio integrum der Psyche ist nicht möglich, denn die Verletzung ist als bleibende Erfahrung ein Leben lang abgespeichert. (Regina Walter, derStandard.at, 6.11.2013)