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Katar ist ein kleines, reiches Land mit hohen Ansprüchen – wie jenem, die Fußballweltmeisterschaft 2022 auszutragen. Das Scheinwerferlicht, in dem sich das Emirat sonnt, bleibt aber immer wieder auf Unebenheiten und Flecken auf der glatten modernen Fassade hängen: Zuletzt waren das die Berichte über die miserablen Lebensbedingungen der Fremdarbeiter, die die Sportanlagen für 2022 hochziehen. Da ging die Nachricht vom Urteil gegen Mohammed al-Ajami aka Mohammed Ibn al-Dheeb beinahe unter.

Der Poet und Aktivist wurde Ende Oktober in Doha – wo das Medienimperium Al Jazeera und seit 2008 das "Doha Centre for Media Freedom" ansässig ist – rechtskräftig zu 15 Jahren Haft verurteilt. Beim Urteil handelt es sich bereits um eine Reduktion einer in erster Instanz ausgesprochenen lebenslangen Haftstrafe wegen "Hetze zum Zwecke des Umsturzes" und "Beleidigung des Emirs". Auch eine Todesstrafe wäre möglich gewesen. Dementsprechend fallen die internationalen Proteste in Katar auf taube Ohren: Das Urteil sei ohnehin abgemildert und in dieser Form gerechtfertigt, heißt es kühl.

Mohammed al-Ajami fiel den Behörden zum ersten Mal 2010 auf, mit einem Gedicht, in dem er den Emir kritisierte. Seine Stunde – wie die anderer arabischer Aktivisten – kam, als 2011 in Tunesien die erste der arabischen Umsturzbewegungen ihren Lauf nahm: Al-Ajami verfasste sein "Jasmin-Revolutionsgedicht", in dem er unter anderem feststellte, dass "alle ­arabischen Regierungen ohne Unterschied Diebe" seien. Und er beklagte, was besonders für die reichen Golfstaaten gilt: "Warum importieren sie alles aus dem Westen, nur Rechtsstaatlichkeit und Freiheit nicht?"

Der Verdacht liegt nahe, dass der Name des Revolutionspoeten ein Faktor ist, der die Behörden nicht milder stimmt: Der Nachname al-Ajami deutet darauf hin, dass seine Vorfahren von der anderen Seite des Golfs stammen und Schiiten sein könnten. Die arabischen Schiiten am Golf gelten in ihren Heimatländern häufig als 5. Kolonne des Iran. Am eklatantesten ist das in Bahrain zu sehen, wo die Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit gegen ein sunnitisches Königshaus als iranische Verschwörung gesehen werden.

Mohammed al-Ajami kann jetzt nur noch auf Gnade des Emirs hoffen: Das ist nicht mehr Hamad Bin Khalifa Al Thani, den er 2010 beleidigte, sondern seit Juni dessen Sohn Tamim. Er hätte nun eine gute Gelegenheit, etwas fürs Image zu tun.  (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 4.11.2013)