Wien - Die Lage ist kompliziert. Schotten und Waliser machen dem mit rustikalen Methoden auf den Thron gekommenen Heinrich IV. das Leben schwer, die Loyalität der Earls ist keineswegs bedingungslos. Dabei würde der König doch viel lieber Richtung Jerusalem ziehen, als sich mit dem Dauerkrieg auf der britischen Insel und seinem Prinzen Harry, der lieber mit Sir Falstaff um die Häuser zieht, herumzuschlagen.

Tatsächlich bleibt keine Zeit für Kreuzzüge, der Untertitel von Gernot Plass' Shakespeare-Bearbeitung Heinrich 4 - Jetzt retten wir mal Jesus bleibt somit ein unerfüllbarer Wunsch, ein Befehl, dem niemand Folge leistet.

Plass, neuer künstlerischer Leiter im Wiener Tag, hat auf seiner Stammbühne bereits Shakespeares Richard II. und Hamlet erfolgreich adaptiert, er vertraut somit auf ein bewährtes Konzept. Dabei wird der Urtext radikal umgeschrieben und in Hochgeschwindigkeitsdialoge verwandelt, Kraftausdrücke inklusive. Die Grundstruktur bleibt indessen weitestgehend unangetastet.

Sechs Darsteller (Jens Claßen, Horst Heiss, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Georg Schubert und Elisabeth Veit) arbeiten in rund 20 Rollen ordentlich für ihr Geld, meistern die pointierte Textmasse mit großer Geschmeidigkeit. Es geht hier um nahezu alles, Macht und Freiheit, Familie und Geschlechterrollen. Die düstere Bühne (von Alexandra Burgstaller), laubbedeckt und auf verschiebbares Mauerwerk sowie einzelne Sitzgelegenheiten beschränkt, erinnert an einen verwitterten Betonbunker. Es ist eine unwirtliche Szenerie, schon bevor der Boden später zur entscheidenden Schlacht von Shrewsbury aufreißt und die ohnedies bereits totenbleichen Protagonisten endgültig zu Zombies werden.

Nach gut zwei Stunden wäre dies ein effektvolles Finale, es folgt jedoch noch der Tragödie zweiter Teil. Dieser ist zwar ordentlich gerafft, wirkt aber gerade dadurch wie eine noch schnell zu absolvierende Pflichtübung. Zusammen mit einem neuen, eher befremdenden Finale trübt dies den guten Eindruck der an sich mit Witz und Präzision inszenierten Überschreibung. (Dorian Waller, DER STANDARD, 2./3.11.2013)