Wo geht's zur Karriere?

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"Frauen wollen Karriere! Sie mögen aufgrund ihrer Verantwortung für die Sorgearbeit auf Karriere verzichten oder ihre Karriereziele einschränken, und doch ist dies nicht ihrem fehlenden Wollen, sondern fehlenden Möglichkeiten geschuldet. Frauen halten auch dann an ihrer Karriereorientierung fest, wenn die Karrierewelt sie als 'Niemand' positioniert und sie über Jahre durch das Wahrnehmungsraster ihrer Vorgesetzten fallen", heißt es im kürzlich erschienenen "Karrierechancen von Frauen erfolgreich gestalten".

Fünf Jahre Forschung (Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) wurden dem Projekt "Frauen und Karriere" gewidmet. Mit zunächst der Erkenntnis, dass Frauen und Karriere als Begriffspaar inkompatibel seien. Karriere, die machen Männer. Die Karrierewelt - und damit sei nicht die Berufswelt gemeint - sei keine, in der sich Frauen wohlfühlen. Nicht zuletzt, als Frauen dort und vor allem in gehobenen Positionen unterrepräsentiert seien, wenn sie eine Spitzenposition innehaben, sei es nach wie vor so, dass sich Frauen geradezu dafür entschuldigen müssten. Zweischneidig also - "integriert wie isoliert", heißt es dazu.

Allerdings: Fragt man Frauen nach ihren beruflichen Entwicklungswünschen (anstelle von Karrierewünschen), bekomme man dieselben Antworten wie von Männern - mehr Geld, mehr Macht und Einfluss. "Wo also ist das Problem?" , möchte man fragen. An der Inkompatibilität zweier Sichtweisen auf dieselbe Sache könne es liegen - verdeutlicht durch eine kleine Schwarz-Weiß-Malerei: Frauen pflegen meist eine ganzheitlichere Sichtweise auf Karriere, eine, die Familie mit einschließt.

Falsche Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft und in vielen Unternehmen seien noch nicht dort angelangt, wo sie sein sollten. Vereinzelte Maßnahmen wie betriebliche Kinderbetreuungsangebote oder Weiterbildungen zur Gendersensibilität verpuffen ohne Einbettung in eine Gesamtstrategie. Aber: Angeschoben durch gesellschaftliche Veränderungen und politische Vorgaben (auch weit über die Quote hinaus) erkennen die Forscher gegenwärtig einen, wie sie es nennen, "historischen Möglichkeitsraum", der Karrierechancen für Frauen öffnet und schließlich den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt entsprechen könne, wenn die Rahmenbedingungen dazu nachhaltig erarbeitet und installiert würden - weg von Kaminkarrieren, hin zu Rotationskarrieren mit lebensphasensensibler Planbarkeit. Zur Gestaltung dieses "Möglichkeitsraums" werden Handlungsanweisungen vorgeschlagen: Zentrales Element dabei sei laut Forschern die Installierung eines "Kraftzentrums", das aus einer breiten Struktur von Stakeholdern, also Menschen, die für das Thema stehen, bestehe. Dazu eine klare Positionierung des Vorstands samt Zielwert, auf den mit einer ganzheitlichen Strategie hingearbeitet werden könne.

Was hier etwas abstrakt klingt, wird durch die Nennung der drei für die Forscher wichtigsten Handlungsfelder konkreter:

  • Erstens die Änderung zum Teil "überbordender Verfügbarkeitserwartungen" (nahezu einer götzenhaften Verehrung der Firma vergleichbar), insbesondere, so die Forscher, "durch die Etablierung von 'Führung in Teilzeit'".
  • Zweitens die Versachlichung und Professionalisierung von Personalauswahlverfahren über die Bildung bereichsübergreifender Talentepools, für die "formale Kriterien und gendersensible Auswahlverfahren gelten".
  • Drittens sei eine gezielte Adressierung von Frauen mit Familien und in Teilzeit (und über 40) in Potenzialgesprächen wichtig. Nur so gelange man zu notwendigen kulturellen und strukturellen Rahmenbedingungen, sodass Frauen, die Karriere machen wollen, das auch können, so die Autoren.

Einige der dargestellten Handlungsfelder und Erkenntnisse kommen recht altbekannt daher, sind aber nach wie vor aktuell. An manchen Stellen scheint es, als habe der unternehmerische Alltag die Forschung längst überholt. Und ob "Führen in Teilzeit" überhaupt funktioniert - auch darüber ließe sich vortrefflich streiten. Eines aber schafft das Buch gut, nämlich die Unterschiede in den Begriffswelten und Haltungen zu beschreiben. Daraus ergeben sich in der Tat viele Möglichkeiten - für alle. (Heidi Aichinger, Management STANDARD, 2.11.2013)