Das eigene Unbehagen macht oft uneinsichtig gegenüber dem Unbehagen der anderen. Als Autorin ist man mittlerweile auf allerart gefasst, sobald das Publikumsgespräch losgeht.Vor allem auf die mit Sicherheit stets wiederkehrende Frage nach dem Autobiografischen eines Textes.

Das ist nicht böse gemeint, sondern echtes Interesse, löst aber mit Sicherheit bei Kollegen und Kolleginnen Irritationen aus. Das liegt weniger an der Frage selbst, sondern an der manchmal ungünstigen Kombination dieser Frage mit dem vorangegangenen Text. Habe ich gerade von einer alternden, in den Wahn abgleitenden Prostituierten mit Hang zu Gewalt vorgetragen, so wie letztens, sollte sich diese Frage eigentlich erübrigen. Dass aber auch die Buchhändler einiges zu erzählen haben, war mir bis heute gar nicht bewusst.

Nach der letzten Lesung in Linz saßen wir noch gemütlich beisammen. Die buchhändlerische Box der Pandora öffnete sich recht freizügig. Meine Favoriten bildete eindeutig jenes Triumvirat, ja eigentlich die Dreifaltigkeit der unangenehmen Frage, die man sich jedoch weder als unangenehm noch als belustigend ansehen lassen darf.

Auf unbestrittenem Platz drei: Die Gretchenfrage reloaded. "Haben Sie die Bibel lagernd?" "Ja." "Altes oder Neues Testament?" "Wie meinen Sie das?" "Na ja, das Neue Testament ist doch die Neuauflage des Alten, oder?"

Breiten wir das Schweigen der Gnade über diese Szene ... dicht gefolgt von "Schön haben Sie das Schaufenster dekoriert! Haben Sie diese Vogellaute-CD auch auf Englisch lagernd?" Insofern reizvoll, als den Vögeln dieser Welt offenbar Mehrsprachigkeit zugetraut wird, was schon mal mehr ist, als so manche Mitbürger freiwillig draufhaben. Der Platz eins aber, jedenfalls mein persönlicher, absolut unanzweifelbarer Favorit, der sich auch gegen die Frage nach dem Verfasser des Nibelungenliedes samt trockener Antwort "Wenn ich das wüsste, wär ich reich" mit spielerischer Leichtigkeit durchgesetzt hat:

"Haben Sie dieses Buch ... Sie wissen schon ... dieses ganz berühmte Buch." "Welches meinen Sie?" "Na dieses ... wie hieß es doch gleich ... Der Finger im Rücken." "Bitte?" "Der Finger im Rücken. Den kennt doch wirklich jeder!" Nach gewissenhaftestem Durchsehen der Kartei ist "Der Finger im Rücken" immer noch unauffindbar und die Kundschaft nah am Rande der totalen Verärgerung über die offensichtliche Unfähigkeit des Fachpersonals.

Die miese Laune auf beiden Seiten des Büchertisches wächst. Bis eine fantasievolle Kollegin endlich die Lösung des Problems findet: Gemeint war offensichtlich "Der Fänger im Roggen" von Salinger. Ja nicht zu verwechseln mit dem Faust im Nacken. Und damit der wiederkehrenden Gretchenfrage. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 2./3.11.2013)