Europäische Entwicklungen werden zunehmend skeptisch gesehen. Manche Entscheidung, auch deren Interpretation, fördert Unbehagen und verstärkt den subjektiven Eindruck, die einzelne Stimme zähle nichts. Diese Entwicklung sollte alarmieren. Auf sie kann nicht mit Abstinenz und Schweigen, sondern muss mit Dialog und demokratiepolitischer Beteiligung reagiert werden.

Wir reden - und das nicht selten - aneinander vorbei. Während die einen einer notwendigen Bankenunion das Wort reden, gehört die Emotion der EU-Kritik: Über Österreich wird drübergefahren, heißt es. Europa dient ausschließlich den Banken und wirtschaftlichen Interessen. Unsere Mitgliedschaft und der Rettungsschirm kosten mehr, als sie uns bringen. Und unsere "Identität" geht verloren. Die oft gegebene Antwort auf diese Sorgen lautet "mehr Europa“ - eine weitere Kompetenzverlagerung von nationaler auf europäische Ebene. So richtig sie sein mag, so sehr kann sie auch überfordern und abschrecken.

Konkrete Antworten auf konkrete Probleme

Die Österreicher erwarten sich von der europäischen Politik konkrete Antworten auf konkrete Probleme, denen man alleine nicht gewachsen ist. Auch wenn etliche mit der gebotenen Politik nicht zufrieden sind, gilt doch: In schwierigen Zeiten will niemand alleine bleiben, sondern ist - im Zweifelsfall - froh, Teil dieser Europäischen Union zu sein. Daher wundert es nicht, dass sich in Umfragen 86 Prozent eine engere Zusammenarbeit der EU-Länder wünschen. Dieses Wir-Gefühl gehört mit Leben erfüllt. Dazu braucht es den Austausch von Argumenten und den Streit um Inhalte - und das kontinuierlich und weit über den Wahltag hinaus. Dazu müssen europäische Zusammenhänge vermehrt auf allen Ebenen des öffentlichen Diskurses erklärt werden.

Antworten

Zurückhaltung ist dabei fehl am Platz. Zu sagen wäre, wie Österreich in europäische Entscheidungen eingebunden ist und welche unsere europäischen Positionen sind. Dass es keinen einzigen Beschluss ohne österreichische Beteiligung gibt. Dass etliche unserer 19 EU-Abgeordneten an den Schalthebeln sitzen und damit als Co-Gesetzgeber jede europäische Entwicklung beeinflussen können. Und dass es letztlich gar nicht auf die Anzahl der Abgeordneten, sondern auf ihr persönliches Engagement ankommt. Werden heute Beschlüsse auf europäischer Ebene getroffen, müssen daher insbesondere kleinere EU-Länder ihre besten politischen Talente ausschicken. Gerade weil das von uns direkt gewählte Europäische Parlament stetig an Einfluss gewinnt.

Die Europäische Einigung lebt von Diskurs und Veränderung. Es braucht Beteiligung und kluge Argumente. Kritik ist berechtigt und notwendig. Aber insbesondere als Kritiker darf man sich von der Weiterentwicklung Europas und der demokratischen Mitbestimmung nicht verabschieden. Letztlich geht es am 25. Mai 2014 um mehr als um die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Es geht um neu zu denkende Integrationswege. Bisher waren die Europawahlen, was Wahlbeteiligung und inhaltliche Auseinandersetzung betrifft, ein Stiefkind. Das muss und kann sich ändern. (Leserkommentar, Paul Schmidt, derStandard.at, 31.10.2013)