Ist es zulässig und wünschenswert, ein privates Sicherheitsunternehmen in den Betrieb eines Anhaltezentrums für Schubhäftlinge einzubinden? Im Lichte des geltenden Verfassungsrechts ist die für das Abschiebegefängnis in Vordernberg geplante Public-private-Partnership des Innenministeriums mit dem global tätigen Sicherheitsunternehmen G4S äußerst kritisch zu sehen. Obwohl beide Partner beteuern, es gehe ausschließlich um "nicht hoheitliche" Aufgaben, die von der privaten Wachfirma erfüllt werden sollen, sucht diese per Ausschreibung auf ihrer Homepage "MitarbeiterInnen des Unterstützungsdienstes" (Bruttolohn: 1.870 Euro), zu deren Jobbeschreibung nicht nur "Konfliktmanagement und gewaltfreie Kommunikation", sondern auch "Allgemeine Kontrollen und Rundgänge" gehören.

Risiko der Verletzung der Menschenrechte

Man befindet sich somit unweigerlich mitten im hochsensiblen Tätigkeitsfeld der Organisation von schwerwiegenden Eingriffen in fundamentale Rechte. Spannungen, die in der praktischen Arbeit mit zwangsweise angehaltenen und vielfach wohl schwer traumatisierten Menschen an der Tagesordnung sein werden, lassen sich dabei vermutlich keineswegs immer nur "gewaltfrei managen". Das Risiko, dass aus Eingriffen in Menschenrechte Verletzungen derselben werden, ist groß.

Sind solche eingriffsnahen Tätigkeiten überhaupt auf private Sicherheitsbedienstete übertragbar, die als rechtliche Befugnisse dabei nur die – allen Menschen zukommenden – "Notrechte" (Notwehr, Nothilfe) wahrnehmen können? Die Antwort lautet nein: Der Staat hat jedenfalls keine Wahlfreiheit zwischen hoheitlicher Vollziehung durch öffentliche Exekutivorgane und einem vertraglichen Ermächtigen privater Sicherheitsdienste.

Er kann die – aus den Bestimmungen der Verfassung über Rechtsschutz, Organisation und Kompetenzverteilung ableitbare – Staatsaufgabe Sicherheit nicht einfach dadurch erfüllen, dass er künstlich eine Situation herbeiführt, die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Notrechte ist: nämlich, dass behördliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Ordnungsaufgaben, bei denen Eingriffe in Rechte anderer wahrscheinlich werden, sind im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung nicht auf gewerbliche Sicherheitsdienste übertragbar.

Eine öffentlich-rechtliche Beleihung Privater mit hoheitlichen Aufgaben – wie sie in Österreich etwa für die Eingangskontrollen an den Gerichten und im Bereich der Flughafensicherheit existiert – ist allerdings in engen Grenzen durchaus möglich. Ihr Handeln wird dann unmittelbar dem staatlichen Träger zugerechnet, so als ob ein Organ der Hoheitsverwaltung selbst tätig geworden wäre. Damit unterliegen die Handlungen Beliehener den Bindungen und Garantien der staatlichen Verwaltung: unmittelbare Grundrechtsgeltung, zivilrechtliche Amtshaftung, striktes Legalitätsprinzip, öffentlich-rechtliches Rechtsschutzsystem.

Staatliche Kernaufgaben oder nicht?

Von einem formal-rechtsstaatlichen Standpunkt aus gesehen sind solche Formen einer Einbindung des Sicherheitsgewerbes zumindest für eng umgrenzte Tätigkeiten daher vergleichsweise unproblematisch. Dennoch hat der Verfassungsgerichtshof schon vor über zehn Jahren in einer Reihe von Erkenntnissen klargestellt, dass Beleihungen mit "staatlichen Kernaufgaben", wozu auch die "Vorsorge für die Sicherheit im Inneren und nach außen und die Ausübung der (Verwaltungs-)Strafgewalt" sowie die "Aufgaben der allgemeinen Sicherheitspolizei" zählen, schlechthin unzulässig sind. Wenn aber Private für öffentliche Sicherheitsaufgaben nicht einmal über ein solches Modell, bei dem letztlich der Staat für ihr Handeln die Verantwortung übernimmt, in die Hoheitsverwaltung eingebunden werden dürfen, so ist eine rein privatwirtschaftliche Beauftragung kommerzieller Wachdienste mit Tätigkeiten, bei denen der Einsatz von Zwangsgewalt faktisch kaum vermeidbar sein wird, erst recht nicht erlaubt.

Passende Ausbildung?

Jenseits rechtlicher Vorgaben ist freilich die Frage zu stellen, ob ein Einsatz öffentlicher Sicherheitskräfte, die für solche Aufgaben auch nicht optimal ausgebildet sind, in jedem Fall vorzuziehen ist. Fälle problematischen polizeilichen Umgangs mit Flüchtlingen oder Angehörigen von Minderheiten sind in Österreich bekanntlich nicht nur vereinzelt vorgekommen. Aus kriminalsoziologischen Untersuchungen ist das Phänomen der "cop culture" bekannt, eines Korpsgeistes, der – im Gegensatz zur offiziellen Selbstdarstellung der Behörde – Übergriffe durch Polizei- oder Justizwachebeamte nicht nur begünstigt, sondern als informelles Wertesystem in der Wahrnehmung der Beteiligten auch organisationsintern rechtfertigt. Für den konkreten Alltag der betroffenen Menschen ist indessen letztlich entscheidend, ob sie korrekt und respektvoll behandelt werden. Der hoheitliche Status von Sicherheitsbediensteten liefert dafür noch keine hinreichende Garantie.

Zentrum in Vordernberg

Vor diesem Hintergrund ist es immerhin bemerkenswert, dass die G4S für das Zentrum in Vordernberg auch psychotherapeutisches und sozialarbeiterisches Personal sucht. Dessen Kompetenzen werden wohl auch dringend erforderlich sein, um die Schubhaftanstalt auf einem menschenrechtlich einigermaßen akzeptablen Niveau zu betreiben. Es fragt sich jedoch, warum dies nicht etwa durch etablierte Anbieter psychosozialer Dienste geleistet werden kann, sondern ausgerechnet im Kontext eines Sicherheitsunternehmens mit durchaus durchwachsenem Ruf geschehen muss.

Kritik an G4S

So wird der G4S immer wieder vorgeworfen, in massive Menschenrechtsverletzungen (wie etwa den Tod eines Abschiebehäftlings in Großbritannien im Jahr 2010) verwickelt zu sein. Kritisiert wird zudem die Niedriglohnpolitik des Unternehmens, dessen Geschäftsmodell nicht zuletzt auf dem kostengünstigen Erbringen ausgelagerter, ehemals öffentlicher Dienstleistungen beruht. Dazu zählt etwa auch der Publikumsdienst der Österreichischen Bundestheater. Christian Diaz, ein mutiger Billeteur des Burgtheaters, hat bei dessen Jubiläumskongress unlängst die Praktiken seines Arbeitgebers G4S angeprangert.

Die zunächst zynisch-ratlose Antwort der Burgtheaterdirektion – man habe ja "Sympathien mit allen, die in den globalisierten Märkten Gerechtigkeit suchen", nur sei dies eben nicht so einfach, da "mit dem Besuch einer Tankstelle oder eines Oberbekleidungsgeschäftes der aufgeklärte Bürger in ständigen Gewissenskonflikt gerät" – ist kennzeichnend für die schleichende Entpolitisierung privatisierter Tätigkeitsbereiche. So repressiv der staatliche Zwangsapparat gerade im Bereich des Fremdenrechts auch agieren mag: Sein Handeln ist wenigstens grundsätzlich einer öffentlichen Kritik und politischen Kontrolle zugänglich. Beides wäre in Zukunft unbedingt auch für "öffentlich-private Partnerschaften" einzufordern. (Leserkommentar, Walter Fuchs, derStandard.at, 31.10.2013)