Diskutieren ja, aber am Ende hat eine gemeinsame Meinung herauszukommen: Diese Rolle schwebt SP-Klubchef Schieder für "seine" Mandatare im Parlament vor. Gegen den Ausbau der direkten Demokratie meldet er Einwände an

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STANDARD: Der SPÖ-Klub wählte sie mit 87,8 Prozent der Stimmen zum Obmann, Josef Cap erhielt als Stellvertreter hingegen 96 Prozent. Warum haben die SP-Mandatare Ihren Vorgänger lieber als Sie?

Schieder: Wenn Sie einen fairen Vergleich wollen, müssen Sie die Ergebnisse bei früheren Wechseln an der Klubspitze heranziehen. Da werden Sie sehen, dass 88 Prozent ein gutes Resultat sind - Josef Cap und Peter Kostelka hatten einst weniger Zustimmung bei ihrem Erstantritt. Ich fühle mich von allen Klubmitgliedern unterstützt und möchte dieses Gefühl zurückgeben. Unsere Abgeordneten sind schließlich das Gesicht, die Ohren und Stimmen der SPÖ.

STANDARD: In Wahrheit wird die Partei doch von oben geführt. Fürchten sich nicht manche Abgeordneten, dass Sie im Auftrag des Kanzlers nun für noch mehr Parteidisziplin sorgen sollen?

Schieder: Nein. Ich bin zwar der Ansicht, dass wir am Schluss eine gemeinsam vertretene Meinung brauchen, aber davor muss alles Für und Wider angesprochen werden. Die Zeiten, als ein Klubobmann die Linie im Namen der Partei vorgab, sind vorbei, heute wird diese erarbeitet - "panta rhei": auch in der Politik entwickeln sich Dinge weiter. Ich bin nicht der Oberdompteur, sondern werde eine offene Diskussion organisieren.

STANDARD: Das heißt, es kann diskutiert werden ...

Schieder: Nicht "kann", es soll diskutiert werden!

STANDARD: ... doch am Ende muss eine einheitliche Linie her?

Schieder: Es soll alles unumwunden angesprochen werden. Ich bin für eigenverantwortliche Abgeordnete, weiß aber auch, dass wir nur erfolgreich sind, wenn wir möglichst geschlossen auftreten.

STANDARD: Also gilt der Klubzwang.

Schieder: Ich bin kein Freund dieses Begriffes ...

STANDARD: ... der aber Realität ist.

Schieder: Gegenfrage: Unterliegen Sie einem Redaktionszwang?

STANDARD: Unser Blatt vertritt eine Grundhaltung, die aber sehr viel freie Meinung zulässt. Zum Beispiel gab es zum Fiskalpakt Kommentare pro und kontra - in der SPÖ hingegen mussten in dieser Frage alle auf Linie sein.

Schieder: Gerade der Fiskalpakt wurde im Klub sehr kontroversiell diskutiert, viele haben - da muss man präzise sein - einzelne Aspekte kritisch gesehen. Doch am Ende haben sie Vor- und Nachteile abgewogen und sich der Entscheidung angeschlossen, nicht aus dem europäischen Konzert auszuscheren, aber in Österreich den Weg von mehr Steuergerechtigkeit und Wachstum zu gehen.

STANDARD: Da wurde doch mit Druck nachgeholfen.

Schieder: Ich habe eine harte Diskussion erlebt, wie sie zum Klubleben gehört, aber keinen Druck. Manche Kollegen scheren nun einmal auch deshalb aus, weil sie die einsame Rolle suchen.

STANDARD: Sie wissen doch aus eigener Erfahrung in der Regierung, dass sich die Koalitionsparteien von den vorgeblich "freien" Mandataren sehr oft reibungsloses Abnicken erwarten - zum Beispiel des Budgets.

Schieder: Das Budget ist ein Sonderfall, bei dem ein Abgeordneter schwer einzelne Details abändern kann. Bei vielen Gesetzen ist das aber anders.

STANDARD: Braucht das Parlament also gar keine Stärkung?

Schieder: Natürlich gibt es etwas zu verbessern. Was mir wichtig ist: Wir müssen stärker hinaus, das Parlament in den Wahlkreis bringen und den Wahlkreis ins Parlament.

STANDARD: Soll parallel die direkte Demokratie ausgebaut werden?

Schieder: Es gibt ein verbreitetes Bedürfnis, die Meinung der Bevölkerung in Einzelfragen stärker zu berücksichtigen - da bin ich für eine Weiterentwicklung offen. Eine Grenze ist aber zu ziehen: Ich bin gegen Automatismen, die zwingend zu einem Gesetz führen und dem Parlament damit die Entscheidungsmöglichkeit nehmen.

STANDARD: Also kein Automatismus, der Volksbegehren in eine Volksabstimmung münden lässt?

Schieder: Wenn eine verpflichtende Entscheidung die Folge sein soll, bin ich dafür nicht zu haben. In unserer Verfassung ist das Parlament der Ort, wo die Gesetze gemacht werden. Das darf nicht über den Haufen gehaut werden.

STANDARD: Soll eine Minderheit der Abgeordneten das Recht bekommen, Untersuchungsausschüsse einzuberufen?

Schieder: Auch das hängt von den Details ab: Wie sind die Ausschüsse organisiert, wie wird die Vertraulichkeit gehandhabt, wie der Umgang mit den Zeugen? Eine tribunalhafte Stimmung, wie ich sie schon erlebt habe, darf es zum Beispiel nicht mehr geben.

STANDARD: Die prinzipielle Zusage von SPÖ und ÖVP gilt nicht mehr?

Schieder: Nein, davon rücke ich nicht ab. Nur gilt es eine Fülle von Fragen zu klären, aus der man nicht nur eine herauspicken kann.

STANDARD: Zum Abschluss eine ideologische Frage: Warum die Stones und nicht die Beatles?

Schieder: Diese Antwort ist leicht: Die Rolling Stones haben den Rythm & Blues, den echten Drive, weniger Lieblichkeit, mehr Power. Sie sind die wilderen, schmutzigeren, aufrührerischen.

STANDARD: Sie selbst wirken aber gar nicht so, wenn man Sie so sieht.

Schieder: Ich habe schon Wurzeln in einem subkulturellen Milieu, bin aber natürlich herausgewachsen - so wie die Stones. Mick Jagger, zum Beispiel, ernährt sich heute makrobiotisch. (Gerald John, DER STANDARD, 31.10.2013)