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Eine experimentelle Studie an der Universität Konstanz zeigt, dass sowohl Stressesser als auch Stresshungerer einem Kompensationsmuster folgen.

Foto: epa/Andy Rain

Konstanz - Laut zahlreicher Studien konnte ein Zusammenhang zwischen dem Essverhalten eines Menschen und Stress konstatiert werden. Die vorherrschende wissenschaftliche Meinung lautete bislang, dass insbesondere die Reaktion derjenigen Menschen, die auf Stress gewohnheitsmäßig mit mehr Kalorienaufnahme reagieren, ungesund sei und dick mache.

Gudrun Sproesser von der Universität Konstanz und ihr Forscherteam gingen nun in ihrer experimentellen Studie von der Hypothese aus, dass das menschliche Verhalten von Schwankungen und kompensatorischen Mustern gekennzeichnet ist. "Wir haben uns gefragt, ob die Stress-Esser ihr Essverhalten unter Stress kompensieren, indem sie in positiven Situationen weniger essen. Das würde auch ein ganz neues Licht auf die Stress-Hungerer werfen, die möglicherweise in positiven Situationen kompensieren, indem sie mehr essen", erläutert Psychologin Sproesser.

Gegenläufige Essmuster

Zur Überprüfung der Hypothese führten die Wissenschaftler ein Experiment durch, in dem die Probanden entweder eine stressbehaftete, eine positive oder eine neutrale Situation erlebten. Anschließend wurde gemessen, wie viel die Teilnehmenden aßen. Das Ergebnis: Stress-Esser, die unter Stress gesetzt worden waren, aßen tatsächlich mehr als die Stress-Hungerer.

Neu war jedoch der experimentelle Nachweis, dass die Stress-Hungerer, die zuvor in eine positive Stimmungslage versetzt wurden, deutlich mehr aßen als die Stress-Esser. "Das Essmuster der Stress-Esser und Stress-Hungerer hat sich hier komplett umgedreht, so dass wir von einem Kompensationsmuster sprechen können", kommentiert Gudrun Sproesser die Daten. Stress-Esser wie Stress-Hungerer, die in die neutrale Seelenlage versetzt worden waren, aßen ungefähr gleich viel.

Wenn der Stress zu viel wird

Diese Ergebnisse machen Aufforderungen an Stress-Esser, sich in den entsprechenden Situationen mehr Selbstdisziplin aufzuerlegen, nicht nur obsolet, sondern sie könnten sogar kontraproduktiv sein, betonen die Experten. Gudrun Sproesser ist überzeugt, dass die Ermahnung, weniger zu essen, noch mehr Stress auslösen könnte und damit die Balance von positiven und negativen Situationen und dem entsprechenden Essverhalten stören könnte. Zumal biologische Untersuchungen gezeigt haben, dass durch essen in Stresssituationen das Stressempfinden nachlassen kann.

"Das Essverhalten von Stress-Essern kann dann langfristig zu Übergewicht führen, wenn der Stress überhandnimmt, ohne dass es Ausgleich durch positive Situationen gibt", lautet die Schlussfolgerung der Psychologin. Entgegen der bisherigen Meinung legen die Ergebnisse jedoch nahe, dass Stress-Essen an sich kein eingeübtes und erlerntes (maladaptives) Essverhalten darstellt. Die Laborergebnisse sollen nun durch eine sogenannte Real-Life-Studie ergänzt werden. (red, derStandard.at, 30.10.2013)