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Einer der freigelassenen Palästinenser wird im Gazastreifen begrüßt.

Foto: EPA/Saber

Dass auch der zweite Schub der Freilassung von palästinensischen Häftlingen in tiefer Nacht abgewickelt wurde, war kein Zufall - die Israelis wollten die Beteiligung an den Freudenfeiern auf der palästinensischen Seite und die Aufmerksamkeit der Medien möglichst in Grenzen halten. Am Dienstagabend hatte Israels Oberster Gerichtshof noch, wie erwartet, den Einspruch einer Terroropferorganisation gegen die Freilassung abgewiesen - nach Mitternacht lief die Operation dann an.

Fünf der Langzeithäftlinge, die schon beim Grenzterminal Eres bereitgehalten wurden, fuhren in den Gazastreifen hinüber, 21 Männer wurden zu einem Übergang im Westjordanland gebracht. Für sie gab es im Hof der Präsidentenkanzlei in Ramallah vor Hunderten jubelnder Angehöriger und Gratulanten eine organisierte Zeremonie, mit der Mahmud Abbas Prestigepunkte sammeln wollte. "Wir werden unsere Anstrengungen zur Befreiung aller Gefangenen fortsetzen", versicherte der Palästinenserpräsident von der Rednertribüne aus, "und es wird auf gar keinen Fall ein Abkommen geben, wenn auch nur ein einziger Gefangener hinter Gittern bleibt."

Mit Küssen begrüßt

Die Männer, die Haftzeiten zwischen 19 und 29 Jahren abgesessen hatten, wurden von Abbas einzeln mit Küssen begrüßt und legten auf dem Grab von dessen Vorgänger Jassir Arafat einen Kranz nieder. Die israelische Führung hatte die Freilassung vor ihrem eigenen Publikum unter anderem damit begründet, dass die Alternative ein aus ihrer Sicht höherer Preis gewesen wäre, nämlich ein Stopp des Siedlungsausbaus.

Abbas versuchte den Eindruck zu zerstreuen, dass er dieser Verknüpfung zugestimmt habe: "Manche Gegner verbreiten Gerüchte, dass wir diese Vereinbarung anstelle eines Siedlungsstopps getroffen haben", rief er, "das ist falsch - die Siedlungen sind nichtig, nichtig, nichtig!"

Als große Errungenschaft kann Abbas die vereinbarte Enthaftung von insgesamt 104 Gefangenen aber schon deswegen schwer verkaufen, weil seine Rivalen von der Hamas vor zwei Jahren mehr als 1000 Gefangene herausbekommen haben, und das nicht durch politische Verhandlungen, sondern durch die Entführung eines israelischen Soldaten. Zugleich sind viele Israelis angesichts des Heldenempfangs verbittert, weil die jetzt freigelassenen Männer wegen Mordes verurteilt worden waren, fast alle zu lebenslanger Haft.

"Grausame Mörder wie diese, die mit Messern und Äxten getötet haben, gehören hinter Gitter - unsere Regierung hat uns verraten, es ist ein Verrat, solche Mörder freizulassen", sagte eine Demonstrantin vor dem Gefängnis, von wo der Transport später losging.

Offenbar zur Besänftigung des rechten Koalitionsflügels wurden am Mittwoch fast zeitgleich mit der Freilassung der 26 Gefangenen weitere Bauprojekte in Ostjerusalem angekündigt - darunter ein archäologischer Park in der Nähe der Altstadt und 1500 Wohnungen in Ramat Schlomo, das aus israelischer Sicht ein Viertel der Hauptstadt ist, aus palästinensischer Sicht hingegen besetztes Gebiet.

Über einen etwaigen Fortschritt der Verhandlungen, die streng abgeschirmt weiterlaufen, ist indessen nichts bekannt. Die Palästinenser dementierten zuletzt Meldungen, wonach sie nun geneigt seien, einer Übergangslösung zuzustimmen, falls ein komplettes Abkommen nicht machbar wäre. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 31.10.2013)