Das Auffällige an Andy Butlers Stil ist eher Nebeneffekt als Hauptantrieb, es gehe ihm hauptsächlich um den Tragekomfort, sagt er.

Foto: Elsa Okazaki

Andy Butler in einer Kapuzenjacke von Marni.

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Hemd von Dolce & Gabbana.

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Hose von Dolce & Gabbana.

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Pulli von Giorgio Armani, Anzug von Z Zegna.

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Andy Butler hat wenig Zeit. Er steckt mitten in einer Tour durch die USA und bereitet nebenbei eine neue Liveshow vor. "Tut mir leid, dass ihr mich eine Woche lang nicht erreicht habt", sagt er gut gelaunt über eine wackelige Skype-Verbindung. In Österreich ist es mitten in der Nacht. "Ich habe gerade so einiges um die Ohren."

Während des Gesprächs sitzt er in einem Studio in San Francisco und produziert sein nächstes Album. Im Hintergrund klicken die Drummachines. "Es wird ein Dance-Album, aber eines mit Herz. Gerade Discomusik hat es ja immer verstanden, Gefühle und Sehnsüchte einzufangen, auch wenn darunter ein gerader Beat läuft."

Disco und früher House der 1980er

Diese Sehnsucht steckt bei Butlers Bandprojekt Hercules and Love Affair schon im Namen. Die Referenz an das antike Griechenland spiegelt sich auch im Artwork seiner bisherigen zwei Alben und in Songtiteln wie Athene wider. Stilistisch orientiert sich die Musik an Disco und frühem House aus den 1980er-Jahren.

Der Erfolg stellte sich beim Erscheinen des wie die Band betitelten Debütalbums 2008 praktisch von selbst ein, was nicht zuletzt an der Zusammenarbeit mit der New Yorker Queer-Ikone Antony Hegarty von Antony and the Johnsons lag. Mit seiner charakteristischen Stimme singt dieser bei dem Song Blind zu einem rollenden Drum-Beat und einprägsamen Trompetenmotiven. Blind ist eine Jahrhundertnummer und katapultierte Hercules and Love Affair ohne Umwege in Nachtclubs von New York bis Berlin und auf große Festivalbühnen.

Auf diesen stehen neben Andy Butler, dem Gründer und bis heute einzig fixen Mitglied der Band, wechselnde Sängerinnen und Sänger unterschiedlichster Herkunft. Hercules and Love Affair besteht aus Dragqueens und Soulsängerinnen, aus Tänzern und Stimmakrobaten. Die Shows sind bunt und laut und fühlen sich jedes Mal so an, als feierte die Band selbst gerade eine riesige Party.

Im Bühnenhintergrund: Andy Butler an einem riesigen Mischpult, Andy Butler mit seinen roten Haaren und vermeintlichen Gefängnistattoos, Butler im Netzshirt, Butler oben ohne. "Zum ersten Mal habe ich mich bei einem DJ-Set in Frankfurt vor ein paar Jahren ausgezogen. Ich begann mit den Schuhen, merkte, dass es sich gut anfühlte, und tanzte am Ende der Nacht in Unterhose auf den Boxen", lacht Butler. "Früher war es ein Running Gag, dass ich mich ausziehe. Heute ist es mein Markenzeichen. Ich muss mich allerdings wohlfühlen. Wenn ich bei einer Show halbnackt auf der Bühne stehe, kann man also davon ausgehen, dass ich eine gute Zeit hatte."

Nackt in Wien-Gumpendorf

Nackt geht Andy Butler auch zu Hause am liebsten herum, und zu Hause, das meint zurzeit seine Wohnung in der Wiener Gumpendorfer Straße. Seine Liebe zur Stadt entdeckte er vor einigen Jahren, als er mit dem österreichischen Technomusiker Patrick Pulsinger zusammenarbeitete. Über ihn lernte er das Wiener Produzentenduo Microthol kennen. Philipp Haffner und Constantin Zeileissen sind heute nicht nur hauptverantwortlich für den Sound des kommenden, dritten Albums von Hercules and Love Affair, sondern auch Butlers beste Freunde. "Es war für mich fantastisch, am anderen Ende der Welt jemanden zu treffen, der so ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hat. Wir sind wie Brüder. Nur dass wir halt unterschiedliche Eltern haben."

Über das musikalische Verständnis von Microthol spricht Butler nur in höchsten Tönen: "Ich dachte einmal zum Beispiel an einen Sound, den ich in einem Track gerne verwenden würde. Als Referenz nannte ich den beiden eine Platte aus dem Jahr 1993, die auf einem New Yorker Label in einer Auflage von nur fünfhundert Stück herausgekommen ist. Constantin und Philipp kannten die Platte nicht nur, sie hatten sie auch in ihrer Sammlung - wir konnten sie also sofort hören, auch das war nicht einmal notwendig, denn sie wussten sofort, welchen Sound ich meinte."

Neben seinen Freunden schätzt Butler an Wien die Beschaulichkeit. Während man in Metropolen wie London oder New York ständig von dem Überangebot an Kunstevents und anderen Happenings überfordert werde, fühlt sich Wien für ihn wie eine idyllische Kleinstadt an. Ist das ein Kompliment oder eine Beleidigung für die Stadt? "Ich mag es, dass man überall zu Fuß hingehen kann. Es ist einfach, hier eine tägliche Routine zu bekommen, und der Lebensstandard ist sehr hoch. Deutsch habe ich in meinen zweieinhalb Jahren hier allerdings noch nicht gelernt. Österreichische Männer habe ich aber viele aufgerissen."

Im lokalen Nachtleben ist Andy Butler eher weniger anzutreffen. Aus großen Clubs habe er sich außerdem nie viel gemacht. "Es ist lustig, dass meine Musik auf großen Festivalbühnen und in Szeneclubs gespielt wird, während ich privat lieber in kleinen Bars und bei Privatpartys abhänge", sagt Butler.

Guter Stoff am Körper

Das Skype-Gespräch dauert nun schon eine Stunde. Im Hintergrund sind immer wieder Geräusche aus dem Maschinenpark des Studios zu hören, ein bisschen fühlt man sich, als sei man live bei der Entstehung des neuen Hercules-Albums dabei. Butler beginnt, über Mode zu sprechen, und wird enthusiastisch. "Ich finde ja, ich ziehe mich sehr gut an", meint er grinsend. "Gestern zum Beispiel hatte ich sehr lose sitzende Klamotten an, ganz casual, etwas aus Leinen, und fühlte mich ein bisschen wie ein alter Mann. An einem bestimmten Punkt in deinem Leben willst du dich einfach wohlfühlen. Ein paar Farbtupfer und gute Stoffe machen dann den Unterschied - ich habe in den Spiegel geschaut und mir gedacht: Gut gemacht!"

Mit seinen Netzshirts, Brokatgilets, orientalischen Hüten und seinem spitzbübischen Lachen sticht Andy Butler aus einer Menge schnell hervor. Das Auffällige an seinem Stil sei aber eher Nebeneffekt als Hauptantrieb, es gehe ihm hauptsächlich um den Tragekomfort. "Neulich kaufte ich mir in einem New Yorker Punkladen einen rot-gelb-blauen Strickhut, der so aussieht, als hätte ihn eine Großmutter gemacht. Als meine kleinen Nichten und Neffen mich damit sahen, haben sie sofort gerufen: 'Bitte, Onkel Andrew, nimm diesen Hut herunter!' Manchmal provoziert Style eben. Manchmal wird man angeschaut und andere Leute finden einen ein bisschen peinlich, und das heißt, man hat es beim Styling richtig gemacht."

Es gibt weniges, wofür sich Andy Butler genieren müsste. Der Erfolg gibt ihm recht. Bis das neue Hercules-and-Love-Affair-Album im Februar 2014 erscheint, gibt es zwar noch viel zu tun, seinen Stil hat Andy Butler, musikalisch wie modisch, aber längst gefunden. (Katharina Seidler, Rondo, DER STANDARD, 31.10.2013)