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Tatort europäischer Geldmarkt: Europas Großbanken bekommen im Skandal um manipulierte Zinsen von Aufsichtsbehörden die Rechnung präsentiert. Ermittelt wird auch wegen Verfälschungen des Devisenmarktes.

Foto: APA/Erichsen

Frankfurt/Wien - Am Dienstag purzelten die Milliarden auf Europas Bankenmarkt. Skandale um manipulierte Zinsen und Währungen haben Großbanken von den Niederlanden bis Deutschland eingeholt und die Kosten für Vergleiche und künftige Rechtsstreitigkeiten in die Höhe schießen lassen. Eine Milliarde Dollar (774 Millionen Euro) zahlt die niederländische Rabobank nun für einen außergerichtlichen Vergleich mit Behörden in den USA, den Niederlanden und Großbritannien. Bankchef Piet Moerland hat am Dienstag seinen Rücktritt erklärt. Die Rabobank ist eine der größten Banken weltweit, mit knapp 700 Milliarden Euro an Wertpapieren und Krediten auf der Bilanz. Als eines der größten Institute war sie auch bei der Setzung des Interbankenzinses Libor beteiligt. An dieser Referenzgröße hängen Abertausende Milliarden Euro an Krediten und Wertpapieren weltweit.

Für den obersten Aufseher der US-Finanzbehörde CFTC, Gary Gensler, haben zwei Dutzend Mitarbeiter von der Rabobank "durch hunderte Manipulationen im Zeitraum von sechs Jahren, in sechs Büros und auf drei Kontinenten ... wesentliche Referenzzinsen in den globalen Finanzmärkten verfälscht" . Davon haben Geldmarkthändler in den Banken profitiert. Die Rabobank ist nach der britischen Barclays und Royal Bank of Scotland, dem Broker Icap und der Schweizer Großbank UBS das fünfte Institut, das im Liborskandal einen Vergleich über hunderte Millionen geschlossen hat. Auch die Deutsche Bank warnt in ihrem aktuellen Quartalsbericht vor einer "hohen Geldstrafe" im Libor-Skandal. Laut Insidern könnte sich die Bank 2014 mit Behörden vergleichen.

Aktive Ermittlungen

Bei den weltweiten Ermittlungen ist das US-Justizministerium DOJ besonders aktiv. Auch beim aktuellen Vergleich mit der Rabobank hat das DOJ 236 Millionen Euro der Zahlung erhalten. "Andere Banken sollten aufpassen: Unsere Ermittlungen sind noch lange nicht vorbei", erklärte Mythili Raman vom DOJ.

Denn auch an anderer Stelle wird ermittelt. Geht es beim Libor-Skandal um die Referenzzinsen der globalen Finanzmärkte, ermittelt das DOJ seit Mitte Oktober auch offiziell im zentralen Devisenmarkt mit seinem täglichen Umschlag von über 5300 Milliarden Dollar an Transaktionen. Daher wappnen sich einige Geldhäuser gegen weiteres rechtliches Ungemach. Die Deutsche Bank hat am Dienstag einen 93-prozentigen Rückgang ihres Gewinnes vermelden müssen, weil das größte deutsche Geldhaus inzwischen mehr als vier Milliarden Euro für eine wahre Flut von Prozessen zur Seite gelegt hat. Ermittelt wird etwa wegen der Rolle der Bank im US-Immobilienboom vor 2007.

Auch die Schweizer UBS hat zusätzlich 580 Millionen Franken für juristische Streitigkeiten zur Seite gelegt. UBS-Chef Sergio Ermotti betonte am Dienstag, dass die Bank das eigene Devisengeschäft und mögliche Konsequenzen für einzelne Banker prüfe, zudem habe die Bank Anfragen von Behörden erhalten. Genauso geht es der Deutschen Bank. Auch in Frankfurt hat man Anfragen von Finanzaufsehern erhalten.

Faule Kredite türmen sich

Das britische Geldhaus Standard Chartered hat im Währungsskandal bereits einen seiner Tophändler suspendiert, berichtet das Wall Street Journal. In diese Richtung müssten sich die Regeln an den Finanzmärkten auch entwickeln, ist Greg Ford, Sprecher der Nichtregierungsorganisation Finance Watch überzeugt, denn Strafen für die Geldinstitute reichten nicht: "Persönliche Verantwortung ist wichtig, um Probleme künftig zu vermeiden", so Ford. So müssten Manager bei Verfehlungen von Untergebenen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem betont Ford, dass die Reform der Referenzzinsen erst umgesetzt werden muss, damit das System nicht der Selbstregulierung der Banken überlassen bleibt.

Abseits rechtlicher Querelen kämpfen Europas Banken auch im Kerngeschäft mit schweren Lasten. Die faulen Kredite auf den Bankbilanzen haben laut einer Studie von EY (Ernst & Young) einen Rekordstand von 940 Milliarden Euro erreicht. Ab November nimmt zudem die Europäische Zentralbank die 128 größten Geldhäuser in der Eurozone unter die Lupe, um mögliche Kapitallücken zu identifizieren. In dem Fall müssten die Banken sich mit Kapitalerhöhungen frische Mittel besorgen oder Beteiligungen verkaufen. (sulu, DER STANDARD, 30.10.2013)