In der Sozialdemokratischen Partei (ČSSD) in Tschechien ist nach der Wahl ein offener Machtkampf entbrannt. Die ČSSD hatte zwar den ersten Platz errungen, mit 20,5 Prozent aber das schlechteste Ergebnis seit der Gründung der selbstständigen Tschechischen Republik eingefahren. ČSSD-Chef Bohuslav Sobotka wurde noch am Sonntag vom Parteivorstand zum Rücktritt aufgefordert und aus dem Koalitionsverhandlungsteam geworfen. Inzwischen hat sich das Verhandlungsteam aufgelöst, ein Parteigremium soll am Donnerstag neue Unterhändler bestimmen.

Sobotka lehnt einen Rücktritt als Parteivorsitzender ab und beharrt auf seinem demokratischen Mandat: "Wir haben mit über einer Million Stimmen die Wahl gewonnen und können die Wähler nicht zum Narren halten."  Anhänger Sobotkas sprechen von einem parteiinternen Putschversuch.

Diesen Vorwurf weist wiederum Vizeparteichef Michal Hašek zurück, der als Sobotkas stärkster Widersacher und Vertrauter von Staatspräsident Miloš Zeman gilt: "Eine Mehrheit in einem demokratisch gewählten Parteivorstand ist doch kein Putsch" , wehrt sich Hašek in der Dienstagausgabe der Tageszeitung Právo.

Eine Entscheidung könnte die Sitzung des ČSSD-Zentralkomitees am 10. November bringen. Senator Jiří Dienstbier, der dem liberalen Parteiflügel rund um Sobotka angehört, schließt für die Zeit danach ein Tandem der beiden Hauptkontrahenten aus: "Sollte das Zentralkomitee den Parteichef in seiner Funktion bestätigen, dann wäre Sobotka wieder voll im Spiel – und der von außen angezettelte Verrat durch den Parteivorstand wäre beim Namen genannt."  Dienstbier spielt damit auf Präsident Zeman an, dem Sobotka seit langem ein Dorn im Auge ist. Zeman – einst selbst ČSSD-Chef war, er ging im Streit – soll sich noch am Wahlabend bei einem Geheimtreffen mit Hašek und seinen Getreuen auf die weitere Vorgehensweise geeinigt haben.

Eskalation der Flügelkämpfe

Die Eskalation der Flügelkämpfe dürfte die komplizierte Regierungsbildung erschweren. Als mögliche Koalitionsvariante gilt derzeit eine Minderheitsregierung von Sozialdemokraten und Christdemokraten (KDU-ČSL), die von der Partei Ano des Milliardärs Andrej Babiš toleriert wird. Sowohl Babiš als auch KDU-ČSL-Chef Pavel Bělobrádek sehen Sobotka als ihren legitimen Verhandlungspartner.

Am Dienstag trat der neue ČSSD -Abgeordnetenklub zusammen und wählte den Hašek-Vertrauten Jeroným Tejc erneut zum Klubchef. Fast gleichzeitig sprach auf der anderen Straßenseite die sozialdemokratische Senatsfraktion Bohuslav Sobotka ihre "volle Unterstützung"  aus. Doch selbst wenn Sobotka in der ČSSD wieder Oberwasser bekommen sollte und sich mit Ano und Christdemokraten auf eine Regierung einigt: Der Premier wird von Präsident Zeman ernannt – und der hat bei der Auswahl des Regierungschefs freie Hand.  (Gerald Schubert aus Prag /DER STANDARD, 30.10.2013)