Kollektive Schuld und persönliche Integrität: "Hexenjagd" in der Linzer Inszenierung.

Foto: Christian Brachwitz

Linz - Wo Menschen nichts anderes mehr wahrnehmen als die eigene Angst, haben Logik und Vernunft keinen Platz. Mitten in dieser angstbesetzten, überdrehten Stimmung finden sich die Zuseher von Beginn an. Regisseur Ingo Putz lässt sechs junge Mädchen in weißen Hemdchen tanzen, aus dem anfänglich kindhaften Herumalbern entwickelt sich "etwas Böses".

Günther Gessert erzeugt für diese erste Szene auf dem Theremin Flirren und Krächzen, errichtet eine bedrohliche, fragile Klangwelt, lässt sie zusammenbrechen, als Pastor Parris (Thomas Bammer) die Mädchen bei ihrem mitternächtlichen Treiben entdeckt.

Tochter Betty (überzeugt mit schonungslosem Körpereinsatz: Linn Sanders) sinkt ohnmächtig in seine Arme - von Hexentreiben und Teufelsanbetung ist in Salem schnell die Rede. Um sich zu schützen, beginnen die Mädchen - allen voran Abigail Williams (Sabrina Rupp als irre Verführerin) - zu behaupten, sie wurden verhext. Eine Jagd auf Unschuldige beginnt, sie endet mit Denunziationen, Prozessen, Todesurteilen. Auf der Bühne geben die sechs Mädchen (zum Teil Schauspielschülerinnen) ihr Bestes, um gruppendynamisch böse zu sein. Ein "Pulk des Bösen" quasi, den Putz auch als solchen einsetzt, etwa in der verkürzten Wiedergabe der Gerichtsprotokolle.

Arthur Miller griff die realen Hexenprozesse in Salem, Massachusetts, aus dem Jahr 1692 auf, um die in den 1950er-Jahren aktuelle politische Situation in den USA anzuprangern. Der Dramatiker hatte sich geweigert, vor dem "Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe" Bekannte und Freunde zu denunzieren und wurde selbst verurteilt.

Miller macht das Ehepaar Proctor zu den zentralen, integren Figuren seines Spiels - in Linz werden John und Elizabeth von Georg Bonn und Bettina Buchholz verkörpert. Solide Ensembleleistung vor einem schönen schlichten Bühnenbild von Stefan Brandtmayr. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 30.10.2013)