Rein äußerlich trägt die Outfittery-Box keineswegs dick auf.

 

Foto: derstandard.at/gueb

Der Inhalt der ersten Box enttäuschte dann aber doch.

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Es gibt Klischees, die sind einfach nicht umzubringen. Zu den zeitlosen Klassikern zählt etwa, dass Mann und Mode ähnlich unvereinbar sind wie vegane Ernährung und Schweineschnitzel.

Hinter dem maskulin angehauchten Stereotyp des "Modemuffels" dürfte sich aber vielmehr eine ausgeprägte Shopping-Aversion verbergen als eine kultivierte Ignoranz gegenüber gutem Geschmack. So hat eine 2013 veröffentlichte Umfrage des Market-Instituts ergeben, dass sich in Österreich nur rund jeder fünfte Mann (21 Prozent) einmal pro Monat auf die Jagd nach anziehenden Trendobjekten begibt. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Frauen, die monatlich ihre Ich-AG textiltechnisch aufmotzen, doppelt so hoch (40 Prozent).

Nun will eine aus den USA importierte Marketingidee den Herren der Schöpfung den regelmäßigen Kauf von Hosen, T-Shirts und Sakkos schmackhaft machen. "Curated Shopping" nennt sich die Kombination aus persönlicher Modeberatung und Online-Versand, die sich hinter Namen wie "Outfittery", "Modomoto" oder "8select" versteckt. Individuell, zeitsparend, bequem und ohne Aufpreis, so lauten zumindest die Verheißungen der Fashion-Start-Ups.

Das Prinzip klingt denkbar einfach und plausibel: Der stressgeplagte aber modewillige Mann füllt zunächst einen kurzen Fragebogen zu seinen mondänen Vorlieben aus. "Was tragen Sie in Ihrer Freizeit?", lautet etwa die Einstiegsfrage bei Outfittery. "Lässig", "sportlich", "klassisch" oder "modisch" stehen zur Auswahl, und damit nur ja nichts falsch läuft, ist dieses "lässig", "sportlich", "klassisch" und "modisch" auch schön stereotyp bebildert.

Die Antwort auf die Frage nach der Haarfarbe lässt sich auch noch ohne größere Probleme bewerkstelligen. Ebenso die Angaben darüber, welche Kleidungsstücke am dringendsten benötigt werden. Danach steigert sich der Schwierigkeitsgrad abrupt: "Wie alt fühlen Sie sich?" - "An manchen Tagen wie 25, an vielen wie 70", doch für so viel Ehrlichkeit ist im Fragebogen definitiv kein Platz.

Magere Ausbeute

Bevor es an die detaillierte Vermessung des Körpers geht, wird noch ein Foto von Ben, Mandy, Bijoux oder Bella - den persönlichen Modeberatern - eingeblendet. Das soll Vertrauen schaffen. Vorausgesetzt Mann kennt sich selbst gut genug: Kragenweite, Anzuggröße, Hosenlänge und so weiter und so fort. - All das brauchen die Coaches, um ihre Auswahl treffen zu können. Ebenso stichhaltige Aussagen zu farblichen und schnitttechnischen Präferenzen.

Danach wird ein Gesprächstermin per E-Mail vereinbart, ein paar Tage später folgt das Telefonat: "Sie haben beim gewünschten Hemdmuster 'Blumen' angegeben. Hier handelt es sich um ein Versehen, oder?", säuselt Mandy ins Telefon. "Nein, wieso? Was spricht gegen Blumenmuster?" Nach etwa fünfzehn Minuten sind scheinbar die letzten Missverständnisse ausgeräumt, zwei Wochen später wird die erste "Outfittery-Box" frei Haus geliefert, inklusive handgeschriebener Grußkarte.

Eine Schachtel vollgepackt mit Kleidungsstücken, von denen ich angeblich schon immer geträumt habe: Unterhosen, Socken, zwei Hemden und Langarm-Shirts sowie Hose plus Sakko hat die Modeberaterin persönlich auf mich abgestimmt. Nun soll probiert und vor allem gekauft werden. - Von wegen: Das Sakko zu eng, gleichfalls die Hose. Unterhosen und Socken schön und gut, aber kein Bedarf. Wenigstens ein Hemd gefällt, aber die Farbe! Blau geht gar nicht! Die magere Ausbeute: Ein Langarm-Shirt, der Rest geht zurück nach Berlin - kostenfrei, versteht sich.

Weniger ist mehr

Der erste Curated-Shopping-Versuch entpuppte sich gelinde gesagt als Reinfall. Ein paar Tage später das nächste Telefonat - ein Evaluierungsgespräch. Tagesordnungspunkt eins: Die Farbe. "Braun, Olivgrün oder Orange, aber bitte kein Blau!" Mandy dazu: "Sie machen es mir nicht leicht. Ihre gewünschten Farben liegen momentan so gar nicht im Trend." Tagesordnungspunkt zwei: Die Größen. "Da muss ich nachbessern. Bitte alles eine Nummer weiter. - Mein Bauchumfang ist - von mir bislang unbemerkt - etwas außer Rand und Band geraten." Das Resümee: Mandy und ich müssen uns noch besser kennen lernen.

Der zweite Versuch: Ich bin zwar nicht schlanker geworden, dafür hat Mandys Auswahl deutlich abgespeckt. Hose, Sakko und Hemd. Das war's. Ich kaufe alles, obwohl es fürwahr keine Schnäppchen sind. Wer Preise wie im Schlussverkauf erwartet, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Boss, Bench, Diesel, G-Star und weitere 146 Marken werden nur zu handelsüblichen Bedingungen verkauft.

Auch wer auf öko-soziale Textilien setzt, befindet sich hier auf dem falschen Dampfer. "Es besteht zwar die Nachfrage nach fair produzierter Kleidung, momentan bieten wir das aber noch nicht an", erklärt Outfittery-Geschäftsführerin Julia Bösch.

Davon abgesehen: "Curated Shopping" ist keine unbequeme Art Kleider zu kaufen (abgesehen vom enervierenden Gang zur Post, um jene Dinge innerhalb von sieben Tagen zurück zu schicken, die nicht gefallen oder gepasst haben), ein Gedanke lässt einen dennoch nicht los: Was letztendlich in den Kleiderschrank kommt, hat Mann nach wie vor in erster Linie sich selbst zu verdanken. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 30.10.2013)