In Baden-Württemberg erlaubt: Radfahren auf mehr als zwei Meter breiten Waldwegen.

Foto: TUBS/Wikimedia [cc;3.0;by-sa]

Bild nicht mehr verfügbar.

In Baden-Württemberg verboten: Radfahren auf weniger als zwei Meter breiten Waldwegen.

Foto: APA/MARKUS LEODOLTER

Wer in Baden-Württemberg auf dem Fahrrad durch einen Wald fahren will, muss prinzipiell auf Forststraßen von mindestens zwei Metern Breite bleiben. Als letztes deutsches Bundesland hält Baden-Württemberg an der Zweimeterregel fest. Eine Online-Petition soll das nun ändern.

Die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) fordert freie Wege für Radfahrer auch auf schmaleren Pfaden - den verwurzelten und steinigen Wegen, die eigentlich Wanderern im Gänsemarsch vorbehalten sind und die Mountainbiker "Singletrails" nennen. Bisher war das in Baden-Württemberg nur durch eine Ausnahmeregelung erlaubt, die sich in der Praxis auf zwei Prozent der Waldwege beschränkt.

Die DIMB setzt sich gemeinsam mit drei weiteren Interessenverbänden für eine ersatzlose Streichung der gesamten Passage in § 37 des Landeswaldgesetzes ein: "Nicht gestattet sind das Reiten auf gekennzeichneten Wanderwegen unter 3 m Breite und auf Fußwegen, das Radfahren auf Wegen unter 2 m Breite", steht dort derzeit. Das Bußgeld kostet pro Verstoß bis zu 35 Euro. Weil die Behörden der inkriminierten Radler kaum habhaft werden, wird die Pönale aber selten fällig.

Erfolgreiche Petition in Thüringen

‬Die Zweimeterregel "ist völlig unverständlich und grenzt pauschal,‭ ‬also ohne jeglichen vernünftigen oder wichtigen Grund,‭ ‬einen wesentlichen Anteil der Waldwege aus dem generellen Waldbenutzungsrecht aus", heißt es in dem Petitionstext. Der soll nach Ablauf der Frist am 23. November zumindest 50.000-fach unterzeichnet an die baden-württembergische Landesregierung übergeben werden. Derzeit fehlen zum Ziel noch knapp 3.000 Unterschriften.

Eingeführt wurde die Regelung 1995, um den "Forstschutz, die Wald- und Wildbewirtschaftung, den Schutz der Waldbesucher und die Vermeidung erheblicher Schäden" zu gewährleisten. Thüringen war vergangenes Jahr das vorletzte Bundesland, das eine derartige Einschränkung aufhob und das Radeln auf allen "geeigneten Wegen" erlaubte. Vorausgegangen war dieser Entscheidung ebenfalls eine Online-Petition, Umweltministerin Lucia Puttrich gab den 44.700 Unterschriften nach.

"Rücksichtslose Hohlweg-Hooligans"

Das Zerren um Betretungsrecht und Wegefreiheit für Mountainbiker in Wäldern ist kein neuer Streit. Die Dogmen prallten schon bald, nachdem der Trend zum Bergrad den Mainstream erreichte, aufeinander. 1991 schrieb der deutsche "Spiegel": "Der Streit um die Mountain-Bikes ist die jüngste Fehde in dem seit langem schwelenden Konflikt zwischen Freizeitsportlern und Umweltschützern: Amateur- und Wochenendsportler geraten zunehmend in Bedrängnis, seit Naturschutz- und Forstbehörden massiv gegen die rücksichtslose Nutzung von Boden, Luft und Wasser für Freizeitaktivitäten vorgehen."

Die Vollbremsungen der Mountainbiker, heißt es in dem Artikel weiter, "hinterlassen im Gras tiefe Narben, die nur langsam verheilen, die kantigen Stollenreifen reißen schütteres Gelände auf, und immer wieder werden Wildtiere aufgeschreckt und verscheucht, wenn die 'Hohlweg-Hooligans' rudelweise johlend den Hang hinabbrausen". Baden-Württembergs damaliger Umweltminister Erwin Vetter ließ wissen: "Wo der Mensch die Natur gar zu sehr malträtiere, werde er 'künftig ausgesperrt'." Der schwäbische Albverein forderte gar ein generelles Fahrverbot für Biker im Wald - und Nummernschilder, um die illegalen "Downhill-Akrobaten" leichter ausforschen zu können.

Grüne gegen Fahrräder

Kennzeichenpflicht gab es keine, die Zweimeterregel sehr wohl. Den Grünen im süddeutschen Bundesland war diese Restriktion stets ein Dorn im Auge. "In den Städten gibt es jede Menge Radwege unter zwei Meter Breite, auf denen sich wesentlich mehr Fußgänger befinden. Dort passiert praktisch nichts. Dort soll es unproblematisch sein, aber im Wald wird es zum großen Problem hochstilisiert", sagte 1995 der grüne Abgeordnete Johannes Buchter. An die Adresse des CDU-Ministerpräsidenten Gerhard Weiser gerichtet schloss er seine Rede: "Ich sage darauf nur: Da wurde wieder einmal Klientelpflege betrieben."

Dann gelangten die Grünen selbst an die Entscheidungshoheit. Mit der Vereidigung der grün-roten Landesregierung unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann 2011 kehrte sich die Parteilinie offenbar um. In der Beantwortung einer FDP-Anfrage wies Alexander Bonde, Parteikollege Kretschmanns und Minister für Ländlichen Raum, diesen Sommer eine Abkehr von der Zweimeterregelung zurück. "Die Nutzung durch viele Sportler aus verschiedensten Sportarten neben dem fußläufigen Erholungsverkehr ist nie völlig konfliktfrei. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu teils schweren, in mehreren Fällen sogar tödlichen Unfällen mit Radfahrern im Wald gekommen."

Laut Bonde "hat sich die bestehende Regelung bewährt. Die Landesregierung plant keine Novellierung des Landeswaldgesetzes." Auf abgeordnetenwatch.de bekräftigte Kretschmann vergangene Woche diese Haltung und berief sich auch auf die Interessenvertretungen der Wanderer: "Wegen der erhöhten Verletzungsgefahr bei gemeinsamer Nutzung schmaler Waldpfade lehnen auch die Wanderverbände in Baden-Württemberg die Aufhebung dieser Regelung ab." Zudem wäre bei einer Abschaffung keine Rechtsklarheit bei Haftungsfragen nach Unfällen mehr gegeben.

"Wer den Wald nicht von innen kennt"

Die Petenten sehen das naturgemäß anders. "Es fehlen wissenschaftliche Nachweise des Sinnes einer‭ 'Zwei-Meter-Regel'.‭ ‬Stattdessen werden damit vor allem Radfahrer und Reiter grundlos verunglimpft und pauschal kriminalisiert.‭ ‬Dies fördert Gegeneinander statt Miteinander im Wald.‭ ‬Die‭ 'Zwei-Meter-Regel' polarisiert,‭ ‬schafft neue oder verstärkt bestehende Konflikte, baut sie nicht ab." Derzeit seien Radfahrer "Waldbesucher dritter Klasse".

Für DIMB-Sprecher Hendrik Ockenga ist eine Freigabe aller Waldwege für Radler der wahre Umweltschutz. "Wir sind Familienväter, die Touren fahren und Kindern und Jugendlichen den Spaß am Fahren und an der Natur weitergeben wollen. Wer den Wald nicht von innen kennt, setzt sich auch nicht für ihn ein", sagte Ockenga kürzlich gegenüber Zeit Online. Das Ziel seiner Petition kann nur "eine praxisnahe gesetzliche Regelung" sein, "die Radfahrer, insbesondere Mountainbiker, nicht diskriminiert und auf persönliche Verantwortung des Waldbesuchers, also vor allem gegenseitige Rücksichtnahme setzt."

Erlaubnis je nach Gutdünken des Waldbesitzers

Anders als in Deutschland ist in Österreich das Befahren von Wäldern in einem übergeordneten Bundesgesetz geregelt. Eine einheitlichere Praxis lässt sich daraus aber nicht ableiten, denn das Forstgesetz von 1975 macht es grundsätzlich vom Einverständnis des Waldeigentümers abhängig, ob er das Radfahren gestattet. Durch eine entsprechende Beschilderung kann der Besitzer der Allgemeinheit diesen Anspruch verwehren.

Eine Petition an den Nationalrat zur "generellen Öffnung des bundesweiten Forst- und Güterwegenetzes zum Zwecke der Sportausübung mit dem Mountainbike" scheiterte 1997: Die Vorschrift sei schon "Intention des Gesetzgebers", eine komplette Freigabe würde "zu einer einseitigen Abwälzung der damit verbundenen Nachteile auf die Waldeigentümer führen". Illegalen Radfahrern drohen also noch immer Verwaltungsverfahren mit einer Strafandrohung von bis zu 150 Euro und meist deutlich teurere zivilrechtliche Klagen.

Im Vorjahr wurden 211 Verwaltungsstrafverfahren "betreffend widerrechtliches Betreten und Befahren des Waldes" eingeleitet. Aus dem Lebensministerium heißt es dazu auf Anfrage von derStandard: "Ein bedeutender und der wohl überwiegende Anteil dieser Verfahren dürfte aber widerrechtliches Befahren mittels Kfz betreffen. Weiters sind in dieser Anzahl mögliche Fälle des Betretens von gesperrten Waldflächen enthalten. Folglich wird nur ein untergeordneter Anteil dieser Verfahren das unzulässige Radfahren im Wald betreffen."

Offizielle Singletrails

Neben den von den Waldbesitzern eingeräumten Wegerechten gibt es in Österreich mehrere hundert "offizielle" Mountainbikestrecken, die das Lebensministerium auf Vertragsbasis mit den Eignern in vier Schwierigkeitsstufen definiert. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2003 maß man eine Gesamtlänge von rund 20.000 Kilometern. Laut Lebensministerium sind seither "viele neue Strecken" dazugekommen.

Mit solchen ausgewiesenen Singletrails will auch Baden-Württemberg die Radaktivisten beschwichtigen. Rechtlich soll alles beim Alten bleiben, nur die Ausnahmeregelung im Landeswaldgesetz soll großzügiger ausgelegt werden: Von den derzeit zwei Prozent könnte der Anteil der für Mountainbiker freigegebenen Pfade auf zehn Prozent erhöht werden, rechneten die Schwarzwald Tourismus GmbH und die zuständige Forstbehörde im Juni vor. Den Unterzeichnern der Petition sind das um 90 Prozent zu wenig. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 31.10.2013)