"Wir sind weniger die Generation, die vor Parteitüren übernachtet oder Türen zumauert", erklärt Asdin El Habbassi.  

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Der Salzburger JVP-Obmann hält nichts von Denkverboten bei der Bildung und tritt für unpopuläre Maßnahmen wie die Erhöhung des Pensionsantrittsalters ein. Beim "Bohren harter Bretter" dürfen sich Abgeordnete nicht länger in "ideologische Schützengräben verschanzen", erklärt er im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Mit 26 gehören Sie zu den jüngsten Abgeordneten: Welche Interessen wollen Sie im Parlament vertreten?

El Habbassi: Eine Aufgabe wird es sein, gerade die junge Perspektive bei den Themen Wohnen, Verkehr, Arbeitsplätze und Berufseinstieg zu vertreten. Ich möchte gern den Überblick über die Generationen haben. Nicht nur für die Jungen sprechen, sondern am Ende des Tages für Jung und Alt da sein.

derStandard.at: Sie haben die Bildung als Nummer-eins-Thema für die Zukunft bezeichnet. Ist eine Schulreform notwendig?

El Habbassi: Auf jeden Fall. Aber wir brauchen endlich eine Reform, die auf den Inhalt ausgerichtet ist, nicht auf das System. Wir sollten uns im Bildungsbereich von Denkverboten lösen und überlegen, was sind konkret die Dinge, die wir schaffen wollen. Dafür brauchen wir dann das ideale System. Wie das am Ende des Tages aussieht, das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Aber ich begrüße es, dass Wilfried Haslauer da einen offenen neuen Weg der ÖVP signalisiert.

derStandard.at: Könnte für Sie eine gemeinsame Schule möglich sein?

El Habbassi: Ich halte es nicht für sinnvoll, über die Systemfrage zu diskutieren, sondern mir ist es wichtig, sich zuerst anzusehen: Gibt es zusätzliches Lehrpersonal, lösen wir uns von Stundenkontingenten, werden die richtigen Themen und Fächer unterrichtet? Das ist wesentlich wichtiger als die Systemfrage.

derStandard.at: Gibt es Themen oder Fächer, die derzeit fehlen?

El Habbassi: Ja, auf jeden Fall. Es ist etwa schon lange eine Forderung, dass Politische Bildung oder auch Staatskunde in allen Schultypen vorhanden sein soll. Ich kann mir auch vorstellen, dass man sich in Zukunft mehr mit Medienkompetenz auseinandersetzt. Auch die naturwissenschaftlichen Fächer gehören gestärkt.

derStandard.at: Junge Kandidaten fallen selten damit auf, gegen die Parteilinie zu sein. Sollte Ihre Generation nicht mehr aufschreien, wenn sie schon die Chance hat, ins Parlament einzuziehen?

El Habbassi: Wir werden sicher aufschreien. Wir haben das auch schon getan, wenn es wirklich wichtig war. Es kommt halt auf die Art und Weise an, wie man es macht. Wir sind weniger die Generation, die vor Parteitüren übernachtet oder irgendwelche Türen zumauert. Wir versuchen mit Konzepten und Lösungsvorschlägen innerhalb der Partei einen Fortschritt zu erwirken. Wo wir ganz sicher laut werden aus junger Sicht, ist das Thema Pensionen. Da kann es so nicht weitergehen.

derStandard.at: Das heißt, das Pensionsantrittsalter muss erhöht werden?

El Habbassi: Ja. Es ist nicht nur wichtig, das gesetzliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen, sondern vor allem das faktische. Da prognostizieren die Experten, dass wir auch 2060 noch unter den 65 Jahren sein werden. Das wahre Problem ist, wenn wir es nicht schaffen, eine Lösung zu finden, wie Leute auch länger Beiträge zahlen.

derStandard.at: Es ist halt eine unpopuläre Maßnahme.

El Habbassi: Ja, das ist richtig. Wie heißt es so schön: Politik ist das Bohren harter Bretter. Und die Bretter sind sehr hart im Moment. Nur weil es unpopulär ist, werden wir nicht darum herumkommen. Die Frage ist: Macht man populäre Politik, die am Ende des Tages Generationen in Geiselhaft nimmt? Oder hat man den Mut, Reformen zu machen, die unser Sozialsystem auf lange Zeit sichern und damit auch der ursprünglichen Idee der Generationengerechtigkeit entsprechen?

derStandard.at: Kommen wir zum Bereich Integration. Was bietet die ÖVP den Migranten konkret an?

El Habbassi: Ein großes Augenmerk wird auf den Erwerb der Sprache gelegt, also Deutschkurse oder Sprachförderungen für Eltern. Es gibt konkrete Erfolge von Sebastian Kurz, etwa um im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse in Österreich anerkennen zu lassen. Man ist damit befasst, die Leute sehr zu servicieren über den österreichischen Integrationsfonds und Servicestellen, bei denen sie möglichst gebündelte Information bekommen: also es den Leuten möglichst einfach zu machen, sich schnell mit unserem Land und den Behördengängen vertraut zu machen.

derStandard.at: Aber gilt das nur für Leute, die auch Leistung erbringen?

El Habbassi: Das gilt für alle, die bereit sind, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Wir gehen davon aus, dass jeder, der nach Österreich kommt, auch das Ziel hat, ganz normal einer Arbeit nachzugehen, seine Steuern zu zahlen und Teil der Gesellschaft zu sein. Da wollen wir die Leute unterstützen. Die ÖVP ist sicher kein Partner, wenn es darum geht, Sozialsysteme auszunützen.

derStandard.at: Nach den Wahlen ist innerhalb der ÖVP die Diskussion um den Wasserkopf Wien losgebrochen. Der Einfluss der westlichen Bundesländer sei zu gering. Sehen Sie das auch so wie die Landeshauptmänner von Tirol, Vorarlberg und Salzburg?

El Habbassi: Ich bin Salzburger, der oft in Wien ist. Darum weiß ich, dass viele Entscheidungen sehr ostlastig getroffen werden. Es wird gut und wichtig sein, darüber nachzudenken, welche Ausgangslagen es in den westlichen Bundesländern gibt. Man muss breiter denken und darf nicht vergessen, dass Österreich von Vorarlberg bis zum Burgenland reicht. 

derStandard.at: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, Bundeseinrichtungen wie Ministerien und Oberste Gerichte auf die Bundesländer aufzuteilen?

El Habbassi: Man sollte sich ansehen, ob das Sinn macht. Der Vorteil wäre, dass hochqualifizierte Arbeitsplätze in die Länder kommen und damit verhindert wird, dass sich alles in einem Ballungsraum zentriert. Das hätte auch wirtschaftliche Effekte für die jeweiligen Standorte: zusätzliche Arbeitsplätze im Akademikerbereich, die jetzt sehr überproportional nach Wien wandern.

derStandard.at: Vor der Wahl haben Sie die politische Kultur als veränderungsbedürftig genannt. Was muss sich ändern?

El Habbassi: Parlamentsübertragungen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass man live sieht, wie Abgeordnete sich gegenseitig zurufen, schreien, polemisch sind und sich gegenseitig nicht ausreden lassen. Das muss sich ändern. Die Leute wünschen sich, dass die gewählten Mandatare und Vertreter einen Standpunkt beziehen, sagen, wofür sie stehen, und dann gemeinsam an einer sinnvollen Lösung arbeiten. Es muss aufhören, dass Probleme nicht angesprochen werden, weil man es den Leuten nicht zumuten möchte oder man sich in ideologischen Schützengräben verschanzt. Wir brauchen mehr Pragmatismus, Lösungsorientierung und die Bereitschaft, neu zu denken.

derStandard.at: Wie stellt man sicher, dass sich die neue politische Kultur auch durchsetzt?

El Habbassi: Da muss sich jeder selbst bei der Nase nehmen. Es kommt darauf an, ob man versucht, in Verhandlungen ernsthaft Lösungen zu erarbeiten oder nur dem anderen das Haxl zu stellen. Im Moment habe ich den Eindruck, dass man sich davon löst.

derStandard.at: Braucht es vielleicht eine regelmäßige Mediation für die große Koalition?

El Habbassi: Ich hoffe, dass wir keine Mediation brauchen. Was wir aber brauchen, ist eine regelmäßige Zusammenarbeit und auch die Bereitschaft, dem anderen Erfolge zu gönnen. In Salzburg funktioniert das gut. Obwohl es unterschiedliche Parteien gibt, besteht der Grundkonsens, dass man dem jeweiligen Verantwortlichen auch Erfolge zugesteht. Wenn eine Bildungsministerin eine notwendige Reform umsetzt, sollte das in Zukunft für alle ein Grund zum Feiern sein.

derStandard.at: Was wird das Erste sein, das Sie im Nationalrat machen?

El Habbassi: Ich habe mir vorgenommen, am Dienstag bei der Angelobung mit den jüngeren Kollegen aus den anderen Fraktionen die Kontaktdaten auszutauschen. Damit wir gemeinsam über Jugendthemen sprechen und darüber, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Zum Beispiel beim Jugendticket oder beim Wohnen haben wir sehr identische Ziele. Es geht darum, nicht immer allein zu arbeiten, sondern - wie es auch erfahrene Politiker machen - sich zusammenzuschließen, damit in den konkreten Punkten, wo man sich einig ist, auch was weitergeht. (Stefanie Ruep, derStandard.at, 28.10.2013)