Lassen Sie mich von hinten anfangen. Sonst ist das ja nicht meine Art, mit der Hintertür ins Haus zu fallen. Aber man kann Menschen gar nicht genug loben, die mir zum Dessert statt Schokolade & Co Erdäpfel und Rosmarin und als Petits Fours Kürbis auftischen. Also Richard und Sonja Rauch vom Steirawirt in Trautmannsdorf.

Ein schwerer Schokoschluss wäre auch ein Gewaltakt bei Richart Rauchs ausgeprägter Sorge um die Sättigung selbst jener Gäste, die seinen Neungänger (für 109 Euro, Weinbegleitung: 48 Euro) wählen - oder sich nicht wehren, wenn aus sieben neun werden. Ich - ja, selbst ich Unersättlicher - schnaufte schon beim Käse, obwohl dieser Gang tatsächlich geradezu luftig-leicht daherkam.

Flusskrebs für mich, Schweinsohr für sie

Auch bei den übrigen acht und dem einen oder anderen Gruß aus der Küche kann man Rauch nicht übertriebene Opulenz nachsagen - aber ein bisserl mehr kann's schon da und dort sein. Und bei mir kam noch erschwerend dazu, dass hier ein sehr flüssiger Eidotter, da ein sanft gegarter Saibling, ein paar Flusskrebse mehr zu mir wanderten, weil sie sie nicht so gerne mag und ich all die Köstlichkeiten nicht unverputzt wieder weglassen wollte.

Von ihrem Schweinsohrfonds indes, der dem Zander schmeichelte, ließ sie mir kein Bisschen übrig. Nicht das erste Mal, dass mir eine Frau kein Gehör schenken will.

Warum wieder Rauch? Fünf Jahre nach "Johanns fette Brüste"? Für diesen Montag hatte er in Trautmannsdorf die Präsentation seines Prachtbands "Einfach gut kochen" angesetzt (und nun doch auf Ende November verschoben). Und ich war am Wochenende in Feldbach, um endlich selbst zu versuchen, wie man einen Dachs verspeist (nein, nicht bei den Rauchs) - dazu vielleicht ein andermal mehr.

Dass der Steirawirt neuerdings eine dritte Haube hat, bekam ich wieder einmal erst auf dem Weg mit. War wirklich höchste Zeit, sag ich Laiendarsteller unter den Fressschreibern. Auch wenn ich da und dort wieder ein bisschen meckere. Aber schauen wir uns den Neungänger näher an...

Blumig präsentiert, aber in der Mitte kommt's dicke: geröstetes Sonnenblumenbrot, eine mollige Creme aus derselben und Linsen. Die recht fette Intensität der Creme kontrastiert die Säure und Frische von...

Foto: Harald Fidler

... Gruß Nummer zwei: Gerstlcracker mit Miso, Radieschen, Zwiebel.

Foto: Harald Fidler

Nicht nur für Menschen mit ausgeprägtem Spieltrieb wie mich: Pilzmacarons mit Kalbskopfgelee und Pilztatar, so klein, so fein. Und als Fliegenpilz verkleidet: Schinkenmousse, Paradeisgelee, Sellerie - auf Limetten-Kokoskeks, sagt der Spickzettel. Ich bin nicht ganz sicher, ob unser Pilz auf diesem Boden stand.

Praktischer Sicherheitshinweis in einem Lokal, das - siehe Rauchs Kochbuch - auch essbare "Murnockerl" (mit Bergkäse) anbietet: "Diese Murnockerl sind nur Dekoration." Wollt grad reinbeißen.

Foto: Harald Fidler

Johann, so heißen die Trautmannsdorfer Schweine, schmecken wie ehedem - mit Ziegenbutter, den so gern servierten hauchdünnen Knusper"fladen" und hausgemachtem Brot.

Foto: Harald Fidler

Das luftigste Blut: Bluattommerl neu als fluffiger Teig mit Grammel, Zwiebel, Sauerrahmfülle. Für weniger Blutrünstige gibt's auf Wunsch die mindestens so luftige Version des Buchweizensterzes (rechts).

 

Foto: Harald Fidler

Schöner möcht ich gar nicht gegrüßt werden: Kohlrabisalat, Gänselebereis und laut Spickzettel Entenbrust - ich hab ja Hirschschinken im Gedächtnis.

Foto: Harald Fidler

Jetzt aber langsam Gang 1 einlegen, auf den so beliebten flachen Schälchen. Kürbis, Kaninchen in Speck blinzelt von hinten ins Bild, Couscous.

Foto: Harald Fidler

Sanft gegarter Saibling, Erbsen, cremigster Eidotter, Flusskrebs und Zitronenverbene mit Flusskrebsfonds - die Kombination fand ich ein bisschen kantig, sie hielt sich auch eine ganze Weile.

Foto: Harald Fidler

Ohren auf! Eines der wahren Highlights: Molliger Klachlfonds mit winzigklein gewürfelten Schweinsohren und spannender Säure, für mich Universaldilettanten ein schöner geschmacklicher Abstecher aus der Oststeiermark Richtung China, harmoniert hervorragend mit dem Zander, dazu Rettich, Kraut und in der Hintergrundunschärfe in Form geröstete Topinamburcreme. Zugegeben, der Klachlfonds im Vordergrund nicht unbedingt ein reiner Augenschmaus.

Foto: Harald Fidler

Hier schaut schon einmal das erste Reh vorbei, seine Schulter, um genau zu sein, und die geschmort. Wir sehen uns!

Foto: Harald Fidler

Aber vorher, als kennte Herr Rauch ihre Vorliebe für Panier: Lammbackerl - ein Stück blieb aus Kapazitätsgründen mir. Ein Stück cremig-fettes Glück.

Foto: Harald Fidler

Herz und Bries oder Vanilleschaumhaube? Nicht kulinarisch, nur fotografisch musste ich mich da entscheiden und - wählte das Häubchen. Die Vanille winkte sehr freundlich dem Chardonnay Merveilleux von Herrn Sabathi aus 2006. Und die hier so finster dreinblickenden Innereien vom steirischen Milchkalb - das Bries gewaltig und gewaltig gut, das Herz sehr schön rosa - hatten rein gar nichts einzuwenden. Und was da rechts so kräftig braun glänzt, ist Erdnußcreme und schmeckt ähnlich intensiv.

Foto: Harald Fidler

Wir kennen uns doch? Rehschulter geschmort, mir schien sie einen Hauch trocken. Aber ich meckere da wieder einmal auf sehr hohem Niveau.

 

Foto: Harald Fidler

"Reh im Wald" nennt Richard Rauch den Schlögel, den er in Rinde packt, die er flämmt und dem - übrigens sehr bleu gehaltenen - Tier damit einen schönen Rauchgeschmack verpasst. Dazu sehr intensive Petersilien-Bernaise. Ein Gang mit einiger Spannung. Dass mein Wanst an dem Punkt auch schon ziemlich spannte, wird Sie weder wundern noch sonderlich interessieren, schätze ich.

Foto: Harald Fidler

An diesem Punkt der goldrichtigste aller denkbaren Käsegänge: Ziegenkäse geflämmt und als schaumig Gefrorenes.

Foto: Harald Fidler

Eine - für uns - eher fordernde Dessertvorstufe: Hier schäumen rote und weiße Isabellatrauben. Nicht ganz mein Fall, wiewohl ich die Direktträgertrauben sehr mag. Aber ich bin nicht der beste Freund des Sturms.

 

Foto: Harald Fidler

Schöner essen: Ein Blatt aus Sanddornsirup winkt zum nächsten Gang...

Foto: Harald Fidler

Grund- und Baumbirne als Nachspeis. Ein Traum für Erdäpfelfreunde wie den Fidler. Und noch immer süß genug für Menschen, die Desserts weit mehr schätzen als er.

Foto: Harald Fidler

Topfenfleck als wunderschöne, luftig-leichte Minipolster - und dahinter die Steirawirt-Version von Sportgummi.

Foto: Harald Fidler

Kürbis-Macarons und kandiderte Kürbiskerne - what else bei einem Steirawirt?

 

 

Foto: Harald Fidler

Rosmarin-Panna-Cotta mit Apfelgelee und Apfelschaum mit Rosmarinbaiser. Angenehm frischer Schluss - eines doch ziemlich üppigen, aber prachtvollen Abends. (Harald Fidler, derStandard.at, 29.10.2013)

Foto: Harald Fidler