Wien - "Shopping-Malls, Wolkenkratzer, Business-Halls, Park and Ride mit Underground, Zentralbahnhof mit Lost and Found ..." In der Kinderoper Das Städtchen Drumherum nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Mira Lobe hat der ganz normale Wachstumswahn mit der Figur des Bürgermeisters ein griffiges Gesicht.

Für all die großmächtigen Baupläne in der Kleinstadt weichen sollen Wald und Teich, was den Menschen mit den funktionierenden Gehirnen - auch Kinder genannt - natürlich ganz und gar nicht recht sein kann. Doch dann gibt es zum Glück noch den Waldgeist Hullewulle, der nicht nur zauberhafte Koloraturen (Lydia Rathkolb) formt, sondern dem Bürgermeister Träume schickt: Er sei ein Fröschlein, ein Häschen, ein Vögelein usw., die der von ihm beauftragte Bagger bedrohe.

Von Neobarock bis Cluster

Das wirkt nicht sofort, doch sickert die Einsicht dann doch in den guten Mann: Als er im Wald steht, um dessen Zerstörung zu überwachen, gibt er den Befehl, die Maschinen zu stoppen und lieber "drumherum" zu bauen.

Bis es so weit ist, kann im Kinderopernzelt auf dem Dach der Wiener Staatsoper eine vergnügliche Stunde lang mit den Tieren des Waldes und den Kindern des Opernstudios, die sich die Bühne mit Erwachsenen teilen, gelacht und gebangt werden. Für die bunte Adaption hat Johanna von der Deken für eine zeitgemäße und gesangsgerechte Textform gesorgt; Elisabeth Naske hat eine Musik geschrieben, die sich souverän durch einen Stilpluralismus von Neobarock und -klassik über romantische und impressionistische Gefilde bis zu Kakophonie und Cluster bewegt.

Die Gleichsetzung von geballten Dissonanzen mit Gefahr wäre allerdings in dieser Form vielleicht doch nicht zwingend nötig, zumal Kinder noch wesentlich offener wahrnehmen können als gelernte Operngeher mit ihren speziellen Vorlieben.

Flott und flexibel

Wandlungsfähig manövrierte sich das Bühnenorchester der Staatsoper unter der Leitung von Vinzenz Praxnarer durch seine vielfältigen Aufgaben; und ebenso flexibel wechselt die Bühne von Hyun Chu die Schauplätze zwischen Innenräumen und Natur, durch die sich das Geschehen in der flotten Inszenierung von Christiane Lutz bewegt.

Erfreulich natürlich agieren die jungen Darstellerinnen und Darsteller, während Clemens Unterreiner als Bürgermeister - auch vokal mächtig - virtuos zwischen der Rolle als Vater und Amtsträger wechselt und besonders die Episoden mit den (erträumten) Tierstimmen so köstlich gibt, dass er damit nicht nur Kinder zum Lachen bringt. (daen, DER STANDARD, 28.10.2013)