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General Keith Alexander will mit rigorosen Methoden ein zweites 9/11 verhindern

Foto: EPA / Jim Lo Scalzo

Es ist das Bild von der Stecknadel im Heuhaufen, das Keith Alexander so oft bemüht, dass es sein Markenzeichen geworden ist. Bevor der General die Leitung der National Security Agency (NSA) übernahm, suchten die Schnüffler nach einzelnen Nadeln. Er dagegen wollte den ganzen Haufen - möglichst weltweit, er wollte ihn bunkern, um jederzeit, auch nachträglich, die Stecknadeln herausschütteln zu können. So schildert es Thomas Drake, früher selbst bei der NSA, ehe er ins Lager der Datenschützer überlief - ein Whistleblower wie Ed Snowden, wenn auch nicht ganz so spektakulär. Alexander sei besessen davon, alles an Daten aufzusaugen, was die Technik erlaube, ohne sich groß um Rechtliches zu scheren. Ändere sich nichts an der Sammelwut, warnt Drake, ende es mit der "kompletten Aushöhlung unserer persönlichen Freiheit".

"Ich sitze lieber hier und erkläre dieses Programm, anstatt zu erklären, warum es uns nicht gelungen ist, ein zweites 9/11 zu verhindern."

Konfrontiert mit solcher Kritik, verweist der Viersternegeneral auf die Vorgeschichte von 9/11, dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind. Es gab diffuse Warnungen, abgehörte Telefongespräche. Die Fahnder hätten den Attentätern auf die Schliche kommen können, hätte man damals die Fäden verknüpft - noch so eine Metapher, die Alexander gern benutzt. Im Juni, da hatte Snowden gerade zu plaudern begonnen, verteidigte sich der 61-Jährige mit rigoroser Selbstgewissheit: "Ich sitze lieber hier und erkläre dieses Programm, anstatt zu erklären, warum es uns nicht gelungen ist, ein zweites 9/11 zu verhindern." Und das Klischee von der grauen Eminenz, die eiskalt und unnahbar über allem thront, ist eben genau das: ein Klischee.

Politiker, die Alexander näher kennen, charakterisieren ihn als umgänglich, leicht sarkastisch, manchmal albern. Ein Computerfreak mit dem Hang zu Spinnerei. In Fort Belvoir, einer Kaserne in Virginia, lud er oft Abgeordnete ein, um sie in seiner Kommandozentrale Platz nehmen zu lassen, die ein Hollywood-Designer den Raumschiffmodellen der Star Trek-Serie nachempfunden hatte.

"Wir haben ihn Kaiser Alexander genannt, denn was Keith wollte, hat Keith bekommen"

Alexander versteht es, Leute zu umgarnen, deren Unterstützung er braucht. Dieses Talent dürfte dazu beigetragen haben, dass der Kongress praktisch jede Budgeterhöhung, die seine Behörde beantragte, bis vor kurzem absegnete, ohne groß nachzufragen. James Bamford, der das Innenleben der NSA in seinem Buch Die Schattenfabrik beleuchtet, bringt es auf den Punkt, indem er anonym einen Insider zitiert: "Wir haben ihn Kaiser Alexander genannt, denn was Keith wollte, hat Keith bekommen". Das war freilich vor Snowden, bevor Senator Jeff Merkley bei einer Anhörung sein Smartphone aus der Tasche zog, aufgebracht damit wedelte und rief: "Welches Gesetz hat Sie denn ermächtigt, sich meine Handydaten anzueignen?"

2010 übertrug Barack Obama dem Netzwerker auch noch die Befehlsgewalt über das Cyber Command. Eine solche Machtfülle hat noch nie ein NSA-Direktor besessen, seit Harry Truman sie ohne Wissen des Parlaments schuf - die mysteriöse Agentur, die Spötter lange mit Beinamen wie "No Such Agency" oder "Never Say Anything" bedachten.(Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 28.10.2013)