Im Wahlkampf 2010 schickte Karl Schwarzenbergs neu gegründete Partei Top 09 allen tschechischen Haushalten einen fingierten Zahlschein mit dem Einzahlungsbetrag von umgerechnet fast 5000 Euro – den Pro-Kopf-Staatsschulden – und wurde auf Anhieb drittstärkste Partei. Im Wahlkampf 2013 verteilte der Milliardär Andrej Babiš persönlich heiße Würstel und Krapfen an Wählerinnen und Wähler – und seine Bewegung Ano wurde auf Anhieb zweitstärkste Partei, nur knapp hinter den Sozial­demokraten. Die liberal-konservative Top 09 hingegen verlor fünf Prozentpunkte und fiel auf Platz vier zurück, hinter die Kommunisten.

Die Botschaft scheint klar: Populismus schlägt programmatische Politik. Denn auch die Kommunisten, einzige unreformierte KP Europas, haben einen starken populistischen Einschlag: Die Parteien (ausgenommen natürlich die eigene) haben versagt, alle Politiker (ausgenommen die eigenen) sind korrupt – die Lösung liegt in einem guten Staat, der für alle sorgt. Babiš, der mit den Kommunisten nichts zu tun haben will, verspricht ganz Ähnliches: Er will den Staat "wie eine Firma"  führen, ihn also nicht den unfähigen Politikern überlassen.

Für diese Botschaft ist, wie das Wahlergebnis vom Wochenende zeigt, mindestens ein Drittel der tschechischen Wähler empfänglich. Und darin liegt ein gehöriges Paradoxon. Denn Babiš ist selbst ein waschechtes Kind des Systems, das er angeblich überwinden will. Ohne beste Beziehungen zu den damaligen und den späteren Machthabern hätte er seinen Konzern kaum aufbauen können. Zudem scheinen ihm unabhängige Medien nicht ganz geheuer: Nach dem Kauf eines Verlags mit zwei der wichtigsten tschechischen Zeitungen wurde bereits von Druckversuchen auf die Redaktionen berichtet.

Dass viele glauben, ein Mann dieses Werdegangs und Zuschnitts könne das korrupte System überwinden, hat etwas Absurdes. Man kann es ­freilich auch einen homöopathischen Ansatz nennen: Ähnliches mit Ähn­lichem bekämpfen, um damit die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. In der Medizin scheint das vor allem bei jenen zu wirken, die daran glauben. Der Beweis, dass es auch in der Politik funktioniert, wurde bisher nicht erbracht.

Und im Fall des tschechischen Patienten sind die Voraussetzungen für diese Therapie denkbar schlecht. Denn Staatspräsident Miloš Zeman hat ein dem der Populisten jeglicher Couleur sehr ähnliches Politik- und Staatsverständnis. Für ihn könnte das Wahlergebnis mit der Aufsplitterung der Parteienlandschaft und den labilen Mehrheitsoptionen gar nicht besser sein: Damit kann er seine angestrebte Präsidialrepublik in der Praxis festigen. Gleichzeitig ist eine Verfassungsmehrheit im Parlament, die dem Staatsoberhaupt klare Regeln und Fristen bei der Regierungsbildung vorsetzt, nicht in Sicht. Somit ist doppelt fraglich, ob und wie das Wahlergebnis Selbstheilungskräfte freisetzen kann. Alle demokratischen Programmparteien wurden abgestraft, am stärksten die rechtsliberalen Bürgerdemokraten des skandalbelasteten Ex-Premiers Petr Ne­čas, aber auch die favorisierten Sozialdemokraten. Schwarzenberg kam da noch glimpflich davon.

Sie alle aber müssen adäquate Antworten auf den Erfolg des Populismus finden. Der homöopathische Ansatz, dass es noch schlimmer werden muss, bevor es wieder besser werden kann, darf nicht darunter sein.  (DER STANDARD, 28.10.2013)