US-Künstlerin Karen Frostig organisiert das "Vienna Project".

Foto: Regine Hendrich

Zahlreiche Nachkommen derer, die 1938 aus Österreich vertrieben wurden, haben sich später mit ihrer Familiengeschichte auseinandergesetzt, einige haben darüber Bücher geschrieben. Die amerikanische Kunsttheoretikerin, Künstlerin und Therapeutin Karen Frostig ist noch weiter gegangen: Aus ihrer persönlichen Suche nach Erinnerung und Identität hat die Tochter eines jüdischen Ex-Wieners ein breites Kunstprojekt auf die Beine gestellt, für dessen Verwirklichung sie die Unterstützung wichtiger Teile der heimischen Politik, Kultur und Wirtschaft gewonnen hat.

Die Eröffnung des "Vienna Project" am Mittwochabend sowie der erste Eindruck der Kunstaktionen auf den Straßen von Wien, mit denen bis Mai 2014 der Verfolgung von Juden, Roma, Homosexuellen und anderer Gruppen durch das NS-Regime gedacht werden soll, waren recht konventionell. Und an Erinnerungsprojekten mangelt es in Wien ja derzeit nicht.

Aber allein Frostigs persönliche Energie und ihre Hartnäckigkeit im Umgang mit offiziellen Stellen und möglichen Sponsoren - von Involvierten auch als Chuzpe bezeichnet - macht abseits aller künstlerischen Kriterien ihr Werk bemerkenswert.

Darin ist die eigene Familie der Angelpunkt. Ihr Vater Benjamin konnte nach Abschluss seines Jusstudiums in Wien 1938 über Portugal und Kuba in die USA flüchten, 16 andere Familienmitglieder starben im Holocaust.

1969 kehrte er erstmals nach Wien zurück, begleitet von seiner jungen Tochter. Aber erst als sie Jahrzehnte später auf Briefe von ihren im KZ ermordeten Großeltern und dem inzwischen verstorbenen Vater stieß und dort über deren früheres Leben las, begann sie sich - nach Kunststudium und verschiedenen Lehrtätigkeiten in Boston - wieder für die Stadt ihrer Herkunft zu interessieren.

2007 nahm sie mit knapp 50 die österreichische Staatsbürgerschaft an, ein Jahr später schuf sie unter dem Titel "Erinnerungen aus dem Exil - Exiled Memory" auf zwölf Tafeln eine Installation am Wiener Juridicum, die vertriebenen Juristen wie ihrem Vater gewidmet ist. Auch ihre Publikationen beschäftigen sich meist mit Verbrechen, Genozid und Erinnerung.

Seit 2009 verfolgt Frostig ihr "Vienna Project" mit Künstlern aus den USA und Österreich. Immer wieder klagte sie über Widerstand, den sie dabei überwinden musste. Auch wenn ihr Deutsch noch holprig ist: 75 Jahre nach der Vertreibung ihres Vaters ist sie ein Teil von Wien und die Stadt ein Teil von ihr geworden. (Eric Frey, DER STANDARD, 25.10.2013)