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Übersteigen die Ausgaben das Einkommen, verlieren viele Menschen schnell den Überblick. Können die Schulden nicht abbezahlt werden, vervierfacht sich das Minus binnen fünf Jahren.

 

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Ein paar tausend Euro Restschulden nach der Scheidung und dem Notverkauf des gemeinsamen, teuren Hauses. Ein ordentliches G'wirks mit der Behörde nach der Entscheidung, selbstständig zu arbeiten. Schlechte Geschäfte, schwierige politische Rahmenbedingungen, falsche Entscheidungen. "Ich habe 60.000 Euro Schulden", sagt Wolfgang, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Dieses Geld wird Wolfgang in seinem Leben nicht mehr zurückzahlen können. In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob der Antrag des Mittvierzigers auf Eröffnung des Privatkonkurses durchgeht. Dafür müsste er eine Mindestquote von zehn Prozent erfüllen – zahlbar in den nächsten sieben Jahren. "Das ist machbar, wenn ich sorgsam mit meinem Geld umgehe" , sagt Wolfgang, der in psychischer Behandlung ist und von einer Invaliditätspension lebt. Unterstützt hat ihn die Wiener Schuldnerberatung, die am Donnerstag ihr 25-jähriges Jubiläum, nun ja, feierte.

18.700 Privatkonkurse

"Es ist bedauerlich, dass man uns immer noch braucht", sagt deren Geschäftsführer Alexander Maly. "Aber wir sind leider im Massengeschäft tätig." Wolfgang ist einer von etwa 80.000 Wienern, die seit der Gründung bei der Schuldnerberatung anklopften. Der Gesamtschuldenstand der Klienten hat laut Maly sechs Milliarden Euro betragen, 18.700 Privatkonkurse wurden begleitet.

Die Durchschnittsverschuldung eines Klienten beträgt zwischen 40.000 und 80.000 Euro, die sich über die Jahre oft aus viel kleineren Ausgangsbeträgen angehäuft haben, sagt Maly. Zur Tilgung hätten die meisten aber nur ein monatliches Einkommen zwischen 800 und 1300 Euro entgegen zu halten. Fast die Hälfte der Klienten hat die Pflichtschule als höchste Ausbildung abgeschlossen.

Schuldenstand im Vergleich zum BIP gestiegen

Die Zahl der angemeldeten Privatkonkurse ist in den vergangenen Jahren zwar leicht zurückgegangen. Das sei laut Maly aber auch darauf zurückzuführen, dass sich viele Schuldner nicht einmal die 10-Prozent-Mindestquote mehr leisten können.

Der Schuldenstand der privaten Haushalte ist jedenfalls im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) massiv gestiegen: 2001 hat die Gesamtverschuldung 28 Prozent des BIP ausgemacht, 2012 waren es bereits 47 Prozent. Das ist eine Steigerung um fast 68 Prozent. Für den Vergleich hat Maly Statistiken der Österreichischen Nationalbank und der Statistik Austria gegenübergestellt.

Zum Vergleich: In den USA betrugen die Schulden von Privathaushalten vor dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 mehr als 200 Prozent des BIP, in Großbritannien mehr als 90 Prozent. "Die Gefahr in Österreich ist, dass einkommensschwache Haushalte stärker verschuldet sind als in anderen Ländern", sagt Maly. "Ihre Schuldenraten können sie irgendwann nicht mehr bedienen."  Als Hauptpunkte für die Verschuldung nennt Maly den Verlust des Arbeitsplatzes – oder im Vergleich zum Einkommen zu hohe Ausgaben für Wohnungen, Autos oder Elektrogeräte.

Kreditkarte namens Handy

Bei Jugendlichen seien vor allem Handys mit hohen Grundgebühren und langer Vertragsdauer eine Gefahr. "Diese Null-Euro-Smartphones sind in Wahrheit eine versteckte Kreditkarte", sagt Maly. "In fünf Jahren kommt da ordentlich etwas zusammen. Allein das Handy ist oft schon Grund für einen Privatkonkurs."

Wie die Schuldnerberatung fordert auch der Kreditschutzverband (KSV), dass es mehr Privatkonkurse geben müsste, um Menschen wieder in den Wirtschaftskreislauf samt Arbeit zurückzubringen. Anders als die Schuldnerberatung will der KSV die Mindestquote von zehn Prozent aber nicht abschaffen. (David Krutzler, DER STANDARD, 25./26./27.10.2013)